Ausweichmanöver (German Edition)
ihre Brust. Sie schrie auf. Er schlug ihren Kopf gegen die Wand. Sie sackte bewusstlos zusammen. Mist, jetzt musste er warten, bevor er die Informationen bekam, die er brauchte.
Er holte eine Schere und schnitt die Jacke auf, die er mit festgebunden hatte. Viel war ja nicht dran, mehr Brustwarze als alles andere. Er betastete sie ausgiebig. Kurz spielte er mit dem Gedanken, sich einen runterzuholen. Später. Wenn alles erledigt war, konnte er sie losbinden und alles angucken.
Er dachte an diesen Mann, der ein entführtes Mädchen zwanzig Jahre für sich allein gehabt hatte.
Er könnte sie in die Scheune bringen, zu seinen anderen Wertgegenständen. Erst einmal musste er aufräumen, alles andere in Ordnung bringen.
Es war nicht einfach, aber er war auf dem besten Weg.
Zufrieden setzte er sich auf sein Bett und wartete darauf, dass das Mädchen wieder aufwachte.
So hatte er den Schlaf seiner kleinen Schwester bewacht, jede Nacht. Erst wenn der Alte von seinen Unternehmungen nach Hause gekommen und im Schlafzimmer verschwunden war, gestattete er es sich, ebenfalls zu schlafen.
Bis zu jener Nacht, in der die schweren Schritte des Alten nicht ins Schlafzimmer abbogen, sondern den Flur hinunter aufs Wohnzimmer zukamen. Sekunden später stand er vor ihm. „Zieh dich an. Du musst mir helfen.“ Ohne ein weiteres Wort stapfte er wieder zurück. Sebastian beeilte sich, ihm zu gehorchen. Erst auf der Straße fragte er: „Wo gehen wir hin?“
„Mein Kollege ist nicht gekommen, du musst mir helfen, ein paar Sachen abzutransportieren, die ich gekauft habe.“
Sebastian wusste sofort, dass gekauft geklaut bedeutete und dass irgendetwas schiefgegangen war.
Den Kleintransporter, mit dem sie durch die Nacht fuhren, kannte er nicht. Irgendwann schaltete der Alte die Scheinwerfer aus und bog in einen Feldweg ab. Gemeinsam krochen sie durch einen Zaun und schleppten schwere Rollen mit aufgewickelten, fingerdicken Kupferkabeln zu dem Transporter. Erst beim dritten oder vierten Mal tauchte der Mond am Himmel auf und Sebastian sah, dass sie nah an einem Steinbruch entlanggingen. Er erschrak, ein paar Steine lösten sich, kollerten den Abhang hinunter. Er klammerte sich an der Rolle fest, rutschte ab. Der Alte fauchte ihn an, griff nach ihm, zog ihn wieder hoch. Doch Sebastians Gürtel hatte sich an dem Kabel verhakt. Der Alte strauchelte, fiel, knallte mit dem Kopf auf die Rolle und rutschte dann den Abhang hinunter. Eine ganze Lawine Steine donnerte hinterher.
Sebastian blieb nicht eine Zehntelsekunde stehen. Er befreite den Gürtel von dem Kabel und rannte davon, rannte, bis er auf eine Straße kam, erreichte ein Dorf und fand eine Telefonzelle. Eine Stunde später saß er auf dem Bauernhof bei Frau Hellmich und trank Kakao.
Er hatte ihr nie erzählt, dass er mit seinem Vater an diesem Steinbruch war. In seiner Geschichte war er aus dem Haus geschlüpft, nachdem der Alte gekommen war. Dass der noch mal weggegangen war, konnte er nicht wissen. Es hatte ihn auch niemand danach gefragt.
Seine Mutter weinte nur auf dem Begräbnis. Danach nie wieder.
Er dagegen bekam noch monatelang Schweißausbrüche, wenn ein Polizeiwagen an ihm vorbeifuhr oder er auf der Fußgängerzone den Streifen begegnete. Doch er hatte sich vergebens gefürchtet. Niemand verdächtigte ihn. Er war eben clever.
So langsam könnte sie wieder wach werden. Sebastian stand auf und holte einen Topf Wasser. Einen Teil schüttete er ihr über den Kopf. Sie schüttelte sich. Den Rest bot er ihr zum Trinken an, nachdem sie wieder ganz zu sich gekommen war.
Sie weinte unaufhörlich. Das konnte einem auf die Eier gehen. Es wurde Zeit.
„Wo ist die Kamera?“
Sie schluchzte. „Die gehört Lars.“
„Was habt ihr mit den Fotos vorgehabt?“
„Ein Freund von uns soll den Wagen von unserem Lehrer gestohlen haben, wir dachten, dass es in der Werkstatt einen Ersatzschlüssel gibt.“
Genauso hatte er sich das gedacht. Diese kleinen Schnüffler. Er musste sie aufhalten, alle.
„Wer weiß noch von der Sache?“
„Nur Lars.“
„Dieses andere Mädchen, mit dem du im Autohaus warst?“
„Die weiß gar nichts. Die habe ich nur mitgenommen, weil sie diese Jump -Befragung machen sollte.“
Sie sah ihn mit weit aufgerissenen, rehbraunen Augen an.
Konnte er ihr glauben? Er schaute an ihrem hoch gereckten Gesicht herunter, ihren schlanken Hals entlang, zu ihrem Brustkorb, der feucht glänzte. Sie bemerkte seinen Blick, senkte den Kopf und erkannte, dass sie
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