Auszeit - Die groeßte Katastrophe der Menschheit
Wochen alles erlebt haben, dann hätten Sie auch Angst und würden sich verstecken.“
Henry horchte auf.
“Wir? Sie sind also nicht allein?“
“Nein, meine Freundin ist noch bei mir.“
“Wo ist sie denn? Ich sehe sie nicht.“
“Sie ist auch nicht hier. Sie hält sich verborgen.“
Der Junge war immer noch vorsichtig und zurückhaltend, und Heinz spürte, dass er es momentan einfach geraten hielt, den Aufenthaltsort seiner Freundin nicht preiszugeben. Was war diesen beiden wohl alles zugestoßen?
“Henry“, sagte er, “ich glaube wir sollten uns dem jungen Mann erst einmal vorstellen und ihm erklären, wer wir sind und was wir hier treiben.“
“Du hast Recht, das habe ich völlig vergessen.“ Dann wandte er sich wieder an den Jungen. “Sie müssen ja misstrauisch uns gegenüber sein.“
Henry erzählte in kurzen Worten seine ganze Geschichte und die Geschichte der anderen, die sich mittlerweile auf der Insel befanden. Er hoffte, damit das Vertrauen des jungen Mannes zu erlangen.
“Wenn Sie möchten“, schloss er, “können Sie mit uns kommen. Vorher würden wir aber gerne auch etwas über Sie erfahren.“
Der Junge gab sichtlich seine Skepsis auf und strahlte, als Henry ihm anbot, mit auf die Insel zu ziehen.
“Oh, vielen Dank, da kommen wir gerne mit. Wir sind hier ohnehin am Ende unserer Kräfte. Wir haben zwar noch ausreichend zu essen, doch leben wir in ständiger Angst vor Überfällen.“
“Vor welchen Überfällen? Hat es denn schon Überfälle gegeben?‘, wollte Heinz wissen.
“Solange noch Menschen in Tutzing lebten, gab es in den letzten Wochen ununterbrochen Überfälle. Die Menschen brachten sich reihen- weise gegenseitig um, bis keiner mehr lebte.“
“Wollen Sie damit ausdrücken, dass Sie und Ihre Freundin die einzigen Überlebenden dieser Ortschaft sind?“
“Das wissen wir nicht genau, aber wir haben die Vermutung, außer uns befindet sich hier kein Lebender mehr. Seit zwei Wochen haben wir jedenfalls keinen anderen Menschen getroffen. Die ersten Menschen, die wir zu Gesicht bekommen haben, waren Sie, als sie neulich im Lagerhaus Samen auf ihre Anhänger aufluden. Wir haben Sie dort heimlich beobachtet. Meine Freundin und ich scheinen tatsächlich die einzigen Überlebenden zu sein. Ist das nicht schrecklich?“
“Und Ihre Eltern ... ?“ Henry führte den Satz nicht zu Ende.
“Meine Mutter starb bereits vor einigen Jahren, und mein Vater wurde kurz nach dem Ausbruch der Pest ermordet.“
Als wolle er von diesem Thema ablenken, stellte sich der Junge plötzlich unvermittelt vor.
“Ich heiße übrigens Kurt Ziema und meine Freundin ist Susanne Ost.“
“Angenehm“, sagte Henry, um ihn dann unbeirrt weiter auszufragen.
“Sie sagten, ihr Vater wurde ermordet? Wie ist das geschehen?“
“Mein Vater war Arzt in dieser Gemeinde. Er sorgte dafür, dass meine Freundin und ich gegen die Cholera geimpft wurden. Als wir die ersten Pestfälle hatten, gab er uns Sulfonamide. Viele hatte er nicht, gerade genug, um uns damit zu versorgen. Natürlich nahm er selbst auch Sulfonamide ein. Nicht, um sich zu retten, sondern um gesund zu bleiben für die vielen Kranken, die täglich sein Behandlungszimmer stürmten. Er arbeitete Tag und Nacht und tat wirklich alles, um Menschenleben zu erhalten oder um wenigstens das Sterben schmerzloser zu machen.
Eines Tages kam einer der Oberen Zehntausend, einer der Millionäre der Gemeinde, zu ihm in die Behandlung und forderte eine Impfung gegen die Pest. Mein Vater erklärte ihm, dass er gegen diese Krankheit leider keine Impfstoffe besitzen würde. Der andere beschimpfte ihn und behauptete, mein Vater wolle den Impfstoff nur für sich behalten. Er bedrängte ihn weiter, bedachte ihn mit allen möglichen Schimpfworten und wurde allmählich sogar handgreiflich. Aufgrund seiner Aggressivität bot mein Vater an, ihm die letzten Sulfonamide, die noch in seinem Besitz waren, anstelle einer Impfung zu geben. Statt dankbar zu sein für dieses Angebot, drehte der Mann völlig durch und schrie, dass er keine Tabletten haben wolle, sondern ein Spritze. Er brüllte sich förmlich in Rage, so dass andere Patienten, die in der Praxis warteten, ihn packten und rauswerfen wollten. Genau diese durchaus gut gemeinte Tat war der entscheidende Fehler. Der Mann fühlte sich bedroht, schlug nach allen Seiten um sich, bekam irgendwie eine Schere, die auf dem
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