Auszeit - Die groeßte Katastrophe der Menschheit
den Tag, an dem er die Maiskörner zu Mehl zermahlen durfte, selbst wenn er heute noch keine Ahnung hatte, womit er dies bewerkstelligen sollte. Doch wenn die Zeit dafür gekommen wäre, würde es mit Sicherheit auch dafür eine Lösung geben.
Nachdem jeder noch einen Sack im Gepäckträger seines Fahrrades eingeklemmt hatte, fuhren sie wieder los. Als sie in die Hauptstraße einbogen, war es Henry, als hätte er im Flur eines Hauses einen Schatten vorüberhuschen sehen. Er hielt einen Moment an und beobachtete das Haus, um festzustellen, ob sich noch einmal was bewegte.
‘Was ist los? Warum kommst Du nicht weiter.“ Franz Kerler drängte, weil ihm die Last auf seinem Gepäckträger bereits jetzt zu schwer wurde.
“Ach nichts, ich dachte nur, ich hätte etwas gesehen.“
“Gesehen? Was hast Du denn gesehen?“
“Ich glaubte, einen Schatten gesehen zu haben, aber es war wohl nichts. Ich habe mich getäuscht.“
Henry Kimm bestieg wieder sein Rad und sie fuhren weiter. Aber Henry hatte sich nicht getäuscht, wie sie einige Tage später erfahren sollten.
Die nächsten Tage brachten harte Arbeit. Die Männer gruben die Rasenflächen um, lösten den Humus von den Grasnarben und harkten die Erde, um sie tiefgründig zu lockern. Die Frauen brachten das Saatgut aus und kennzeichneten jedes Beet, um später genau erkennen zu können, was dort alles so wuchs.
“Eine wichtige Arbeit“, spöttelte Heinz Breuer, “besonders, weil es wahnsinnig schwierig ist, einen Kohlkopf von einem Maiskolben zu unterscheiden. Das muss man schon genau markieren, sonst gibt es noch Verwechslungen. Zum Beispiel Kohlmehl statt Maismehl. Nicht auszudenken, was das dann für Brote werden.“
“Pass nur auf, dass wir Dich nicht kennzeichnen“, drohte Anna scherzhaft. “Einen Kohlkopf von einem Hohlkopf zu unterscheiden, ist nämlich wirklich nicht einfach. Und da Du, was die Landwirtschaft angeht, von einem Hohlkopf nicht weit entfernt bist, sollten wir Dir lieber heute schon ein Schild umhängen, denn diese Verwechslung wäre wirklich fatal.“
“Gut gekontert. Ackerbau beflügelt. Früher warst Du nie so schlagfertig. Ich muss mir wohl eine neue Strategie überlegen.“
Heinz spielte den Geknickten, und als Anna ihm mit dem Grinsen eines hämischen Siegers den Rücken zukehrte, gab er ihr mit dem erdbeschmierten Spaten einen kleinen Klaps auf den Hintern, so dass ein rechteckiger Abdruck auf einer der edelsten Stellen ihres Körpers zurückblieb. Die anderen lachten, nicht weil Anna aussah, als hätte sie das, was sie normalerweise auf der Toilette verrichtete, nun außen an der Hose kleben, sondern weil Heinz bei dem Spatenklaps ausgerutscht war und nun selbst mit seinem Allerwertesten mitten in der feuchten Erde saß.
“Nimm es leicht“, tröstete Henry, “man kann nicht immer der Sieger sein.“
Trotz der vielen ungewohnten Arbeiten, trotz der Einbußen des gewohnten Komforts war die Stimmung auf der Insel blendend. Es hatte den Anschein, als seien alle durch den unfreiwilligen Verzicht ihres bisherigen Lebens viel freier und unbekümmerter geworden. Natürlich hatte man auch hier Verantwortung. Doch war es eine gemeinsame Verantwortung, eine Verantwortung für ein gemeinsames Ziel, das sie erreichen mussten, um weiter zu existieren. Und obwohl sich alle dieser Tatsache bewusst waren, war diese Verantwortung keineswegs bedrückend, sondern eher befreiend. Es war die Verantwortung, gemeinsam ganz einfach für die Grundbedürfnisse des Lebens zu sorgen. Das hatte bisher keiner gekannt und jeder merkte, wie schön es war, zusammen für die Erfüllung dieser Grundbedürfnisse beitragen zu können. Eine neue Erfahrung und eine befriedigende Erfahrung. Die Welt, in der sie noch vor wenigen Wochen lebten, hatte dies nicht zugelassen.
Nach wie vor wurde jeden zweiten Tag zum Fischen gefahren. Inzwischen musste man jedoch mit den Segelbooten etwas weiter hinausfahren, um nicht die seichteren Gewässer rund um die Insel leer zu fischen. Doch selbst weiter draußen gab es genügend Fisch, und es blieb jedes Mal etwas übrig, das der Vorratshaltung zugeführt werden konnte. Auch Breuer freute sich über die guten Fänge, sah als Arzt in der einseitigen Ernährung mit Fisch auf Dauer allerdings eine Gefahr.
“Wir müssen auch anderes Fleisch zu uns nehmen. Natürlich, Fisch ist gesund und mir ist nicht bekannt, dass es durch die alleinige Ernährung mit Fisch zu
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