Auszeit - Die groeßte Katastrophe der Menschheit
beinahe vom Fahrrad gefallen wäre.
“Was sagten Sie? Vieh? Sagten Sie wirklich Vieh? Was für Vieh gibt es denn dort?
“Nicht besonders viel. Zwei Milchkühe und vier Schafe. Als Sie mich vorhin entdeckten, war ich gerade vom Melken zurückgekommen.“
Henry war begeistert.
“Mensch, der Kerl weiß gar nicht, wie reich er ist. Er hat Milchkühe, lebende Milchkühe und erzählt das, als wäre es das Normalste von der Welt.“
Auch Heinz war erstaunt.
“Und die geben tatsächlich echte Milch?“
“Natürlich geben sie Milch, Du Blödmann, warum hätte er sie sonst melken sollen; nur um nicht aus der Übung zu kommen?“, ulkte Henry.
“Das ist ja phantastisch.“ Heinz war völlig aus dem Häuschen. “Die müssen wir zur Insel holen. Wie weit ist denn der Bauernhof entfernt?“
“Mit dem Fahrrad ungefähr eine Viertelstunde.“
“Können die Kühe und Schafe so weit gehen?“
Kurt lächelte. Zum ersten Mal, seit sie sich begegnet waren, lächelte er.
“Ich glaube kaum, dass dies für die Tiere ein Problem ist. Auf der Weide gehen sie ja auch den ganzen Tag. Sie brauchen natürlich eine Art Leithammel, der vorangeht und ihnen den Weg zeigt.“
Henry prustete los.
“Dafür bist Du bestens geeignet Heinz. Du solltest Dich gleich freiwillig bei Kurt melden.“
Heinz sah ihn strafend von der Seite an, ohne weiter auf diese Bemerkung einzugehen.
“Mache ich auch. Wann wollen wir die Tiere holen. Heute noch?“
“Heute ist es zu spät. Wir sollten das erledigen, wenn die Tiere ausgeruht sind, also gleich morgen früh nach dem Melken.“
“Einverstanden, das wird ein tolles Ding. Jeden Tag frische Milch. Kaum zu glauben. Allmählich beginnt für uns auf der Insel ein richtiges Luxusleben. Die werden staunen, wenn wir Ihnen das erzählen.“
Die anderen auf der Insel staunten gleich mehrfach. Zum einen, dass es Henry und Heinz tatsächlich gelungen war, Waffen zu organisieren. Zum anderen, dass sie zwei neue Bewohner mitbrachten. Zum dritten wegen der Aussicht, nun täglich frische Milch zu erhalten. Alles schien so zu laufen, dass sich das Inselleben immer besser einrichten ließ.
18. Olga und Erna
Kurt Ziema und Susanne Ost bezogen das letzte freie Zimmer in der Villa. Es war zwar nur ein kleinerer Raum, aber er war ausreichend und die beiden waren froh, dass sie in die harmonische Gemeinschaft aufgenommen wurden. Breuer nannte die Villa scherzhaft “Das Haus der Sünde“, da hier wahrhaftig nur ein Paar, nämlich das Ehepaar Wollner mit einem amtlichen Trauschein versehen war. Alle anderen lebten also nach der Auffassung der katholischen Kirche in Sünde.
Die Kirche. Was war eigentlich aus ihr geworden? Seit dem Ausbruch der Pest hatte man selbst über das Radio nichts mehr von ihr vernommen. Der Papst teilte keinen Segen mehr aus, erzählte nichts mehr von der Strafe Gottes für das vorherige ausschweifende Leben und gab auch sonst keine Weisheiten von sich, wie er dies zu früherer Zeit gerne getan hatte. Wie oft hatte er Kriegsparteien mit wirklich oft einfältigen Bemerkungen aufgefordert, ihre gegenseitigen Angriffe sofort zu unterlassen! Gerede und Phrasen, denen nie Taten folgten, und die wahrscheinlich nur deshalb ausgesprochen wurde, damit der Vatikan auch etwas dazu gesagt hatte. Hilfe kam von der Kirche selten, und während die Menschen häufig Millionen freiwillig für die leidende Bevölkerung in Kriegsgebieten spendeten, übte sich die Kirche in vornehmer Zurückhaltung. Ja nichts von den eigenen Reichtümern her geben, voll im Einklang mit der christlichen Lehre, mit den Armen zu teilen! In einer Situation wie der jetzigen brauchte man die Kirche nicht mehr. Sie war überflüssig geworden, obwohl sie, genauer betrachtet, schon vor langer Zeit überflüssig geworden war. Was man mehr denn je brauchte, das war Gott, und den fand man überall und nicht nur in der Kirche. Vielleicht hatte sie das auch erkannt und sich deshalb in ihr Schweigen zurückgezogen.
Der nächste Morgen brach an und Henry, Heinz und Kurt machten sich auf den Weg, um die Kühe und Schafe zu holen. Sie brachen schon sehr früh auf, da die Kühe daran gewohnt waren, zu früher Morgenstunde gemolken zu werde. Wie es Kurt geschätzt hatte, erreichten sie nach fünfzehn Minuten den Bauernhof. Obwohl in der Nähe Tutzings, lag er wirklich sehr abgelegen und war deshalb wohl von niemandem entdeckt worden. Der Grund,
Weitere Kostenlose Bücher