Auszeit - Die groeßte Katastrophe der Menschheit
Backrohr oder in der Badewanne die Kohlen abbrannten, um sich ein Essen aufzuwärmen. Besonders glücklich waren diejenigen, die einen Gasherd besaßen und damit vom elektrischen Strom unabhängig waren. Hier funktionierte noch alles und einige dieser stolzen Besitzer ließen Freunde und Verwandte, die in der Nähe wohnten, den Herd mitbenutzen. Auf diese Weise waren manche Herde rund um den Tag besetzt und standen im Dauerbetrieb. Sparsamkeit beim Gasverbrauch brauchte man nicht zu üben, da kein Mensch Zeit hatte, die Gaszähler abzulesen. Jeder war mit sich und seinen Problemen beschäftigt, auch die Angestellten der städtischen Gaswerke, die ohnehin nicht mehr ihrem Dienst nachgingen.
Die Arbeit in den Betrieben war schon vor längerem stillgelegt worden, da es einfach nichts gab, was ohne Stromversorgung richtig funktionierte. Und die Betriebe, die in der Lage gewesen wären, vielleicht manche Arbeiten händisch zu erledigen, ruhten ebenso, weil niemand mehr ihre Arbeitsleistung benötigte. Die ganze Erde war auf einen Schlag und ziemlich abrupt ins Mittelalter zurückversetzt worden und der Tauschhandel erlebte eine echte Renaissance. Der Mensch beschränkte sich auf das Notdürftigste, und das war in manchen Fällen schon viel zu viel.
Was allen ein Rätsel blieb, war die verblüffende Tatsache, dass nach wie vor Radio, Fernsehen und Telefon ihren Dienst taten, als sei nie etwas geschehen. Auf diese Weise konnten die Menschen wenigstens noch mit Informationen versehen und die Kommunikation auch über große Entfernungen aufrecht erhalten werden. Der Post- und Paketdienst war sehr schnell gescheitert, ganz einfach deswegen, weil die erforderlichen Transportmittel fehlten. Dort, wo es unabdingbar war, Daten schriftlich zu übermitteln, hatten Brieftauben die Aufgabe der Zustellung übernom- men, und noch niemals zuvor hatten die Vereine der Brieftaubenzüchter einen Stellenwert, wie zu dieser Zeit. Man behalf sich eben überall, so gut es ging. Das Internet ging schon lange nicht mehr, was der internetabhängigen Menschheit fast am meisten zu schaffen machte.
Zu unlösbaren Problemen war es aber weltweit in der medizinischen Versorgung gekommen. Dabei lag das Problem nicht nur an den fehlenden medizintechnischen Geräten, sondern vor allem auch in den laufend schlechter werdenden Therapiemöglichkeiten. Dadurch, dass die Pharmazieunternehmen weder Rohstoffe bekamen, noch Rohstoffe weiter verarbeiten konnten, wurden sowohl die Medikamente als auch die Impfstoffe immer knapper. Die Anzahl der Todesfälle in den Krankenhäusern schnellte drastisch in die Höhe, was durch die mangelhaften Transport- und Bestattungsmöglichkeiten zunehmend zu einer ernsthaften Gefahr wurde. In vielen Friedhöfen lagen die Leichen oft tagelang auf dem Erdboden, bevor sie eingegraben werden konnten. Einzelgräber gab es seit geraumer Zeit nicht mehr. Aufgrund der ständig steigenden Zahl an Toten war man gezwungen, Massengräber auszuheben, um die Leichen auf diese Weise zu beseitigen. Die immer schlechter werdende medizinische und pharmazeutische Versorgung einerseits und die rasch wachsende Zahl von Toten, die nicht schnell genug beerdigt werden konnten andererseits, kulminierten zu einer fürchterlichen Bedrohung, die allmählich die ersten Auswirkungen zeigte. In München, wie in vielen anderen Weltstädten brach die Cholera aus. Zum ersten Mal bemerkte man in den hoch zivilisierten und technischen Ländern der Erde, was es bedeutete, auf eine reibungslose medizinische Versorgung und hygienische Verhältnisse verzichten zu müssen. Allmählich begriff man, wie der Alltag in den so genannten Staaten der dritten Welt schon immer beschaffen war.
8. Eine erschreckende Erkenntnis
Heinz Breuer hatte die letzten drei Tage ohne Unterbrechung im Krankenhaus verbracht. Vielen Menschen konnte er nur noch in ihrem Leiden Trost spenden, ohne jede Möglichkeit, ihnen als Arzt eine wirkliche Hilfe zu sein. Operationen führten sie mittlerweile unter Äthernarkosen mit all den üblen Nebenwirkungen aus. Septische Mittel gingen allmählich zu Neige, demzufolge abzusehen war, wie lange es noch dauern würde, bis sie die ersten Fälle von Wundbrand und Sepsis im Krankenhaus zu ver- zeichnen hätten. Medikamente und Impfstoffe gegen Cholera waren in der letzten Woche zur Neige gegangen. Wer nicht selbst eine solch gute Konstitution hatte, um diese Krankheit zu überstehen, wurde unweigerlich ihr Opfer. Und die Zahl der Opfer
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