Auszeit - Die groeßte Katastrophe der Menschheit
dazugehörigen Wagen zur Verfügung gestellt, die sonst nur auf dem alljährlichen Oktoberfest ihren Dienst taten. Aber nicht nur die Brauereien, sogar viele Reitsportvereine waren mit Pferden, Wagen und Kutschen aller Art zur Hilfe gekommen. Das Kurioseste sah Bernd Take jedoch an der Straßenkreuzung, die nur wenige Meter von Anettes Wohnung entfernt lag. Ein in München gastierender Zirkus bemühte sich hier, mit seinen Elefanten Fahrzeuge beiseite zu räumen, welche die Fahrbahn blockierten. Trotz der immer ernster werdenden Lage und trotz seiner innerlich nagenden Traurigkeit, entrang er sich ein stilles Lächeln. Mitten im Zeitalter größter technischer Errungenschaften waren Zirkuselefanten damit beschäftigt, liegen gebliebene Autos an den Straßenrand zu ziehen. Ein Bild wie aus einen Sartiremagazin. Und vorneweg der Dompteur, der unter ein paar Dutzend Gaffern die Anweisungen gab. Er hätte etwas darum gegeben, wenn Rita, dieses Bild miterlebt hätte. Aber Rita, das war ein Kapitel das unwiederbringlich abgeschlossen war. Bernd trennte sich von dem Anblick und nahm seinen Weg wieder auf. Es war nicht mehr weit, und so stand er bald vor Anette Modas Haustüre. Er suchte auf den kleinen Schildchen neben den Klingelknöpfen nach ihrem Namen und läutete. Es dauerte eine Weile, ehe er in der Gegensprechanlage ihre Stimme vernahm.
“Ja bitte, wer ist da?“
Ihre Stimme klang irgendwie traurig.
“Ich bin es, Bernd Take. Ich wollte mich nur erkundigen, wie es ihnen geht.“
“Oh ja, schön. Kommen sie doch herein!“
Und schon hörte er den Summer des elektrischen Türöffners, der erstaunlicherweise noch funktionierte. Erst jetzt fiel ihm auf, dass überhaupt noch eine ganze Reihe von elektrischen Geräten normal weiterliefe. Das Radio, der Fernseher, der Herd - alle diese Geräte waren vom Stromausfall unbehelligt geblieben. Bisher zumindest. Völlig irrational und nicht zu begreifen, warum die Elektrik sich ganz offensichtlich gezielt Objekte aussuchte, denen sie ihr Wohlwollen entzog. Als er ihre Haustür erreichte, hatte sie Anette bereits geöffnet und erwartete ihn. Er hatte richtig vermutet, als er glaubte Traurigkeit in ihrer Stimme gehört zu haben. Ihre Augen waren gerötet und es bestand kein Zweifel daran, dass sie noch vor kurzem geweint hatte.
“Geht es ihnen nicht gut?“, fragte Bernd, nachdem er in ihrem Wohnzimmer auf der Couch Platz genommen hatte.
“Nein, mir geht es offen gestanden miserabel.“
“Waren ihre Verletzungen also doch schlimmer, als wir erst dachten. Sie sollten einen Arzt aufsuchen!“
“Es sind nicht die Verletzungen, die mich schmerzen, Die spüre ich kaum noch. Max, mein Freund mit dem ich zusammenlebe, ist tot.“
Ihre Augen füllten sich mit Tränen und sie sah von Bernd weg auf den Boden, als schäme sie sich dafür.
“Tot? Mein Gott, meine Frau auch.“
Bernd Take erkannte mit einem Schlag, was ihr Zusammentreffen gestern, bei dem er ohnehin nicht an einen Zufall gedacht hatte, für eine Bedeutung haben sollte. Er schien ihm wie ein Plan, in dem Figuren ausgetauscht, beiseite gestellt und neu zusammengeführt werden. Rita und ihr Freund waren eliminiert worden, und sie beide hatte man in einer schlimmen Situation zusammengebracht, quasi, um gleich einmal einen Härtetest mit dieser neuen Konstellation auszuprobieren. Rita blickte ihn entsetzt an.
“Was, ihre Frau ist auch tot? Meinen sie das im Ernst? Das kann doch nicht sein!“
“Ja, ich meine das im Ernst. Sie fiel gestern einem Verkehrunfall zum Opfer. So, wie es aussieht, standen beide Ampeln auf grün, wie das bei vielen Unfällen am Abend die Ursache war.“
Anette sah eine ganze Zeit lang auf den Boden, als suche sie nach einer Antwort oder nach tröstenden Worten.
“Max starb einen ganz normalen Tod. Er war zu Fuß unterwegs und brach auf dem Gehsteig tot zusammen. Allem Anschein nach hat er einen Gehirnschlag gehabt. Ist das nicht eine entsetzliche Ironie? Hunderte, ja tausende von Menschen kommen durch diese Anomalitäten der Elektrik um und genau zu diesem Zeitpunkt stirbt Max einen gewöhnlichen Tod. Ich habe Angst, nicht vor dem Alleinsein, daran werde ich mich eines Tages gewöhnen. Aber irgendetwas geht hier vor, was wir alle nicht mehr kontrollieren können. Fühlen sie das nicht auch?“
“Ich befürchte fast, Sie haben recht. Aber ich will es nicht wahrhaben. Ich glaube noch den Vermutungen der Wissenschaftler.
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