Auszeit - Die groeßte Katastrophe der Menschheit
informieren. Doch erzähle sonst niemandem davon. Die Panik bricht noch früh genug aus, und da möchte ich nicht mehr in der Stadt sein.“
“In Ordnung, ich werde meiner Familie den Amtseid abnehmen“, versprach Henry, wobei er sich bemühte, trotz des Ernstes der Lage die bedrohliche Atmosphäre etwas aufzulockern. In Wirklichkeit brauchte er das, um seine Nervosität damit zu überdecken und sich selbst Mut zuzusprechen.
“Wann willst Du denn aufbrechen?“, wollte er wissen.
“Bereits morgen, und zwar in den frühen Vormittagstunden.“
“Gut, dann ist zwar kaum noch Zeit für die Vorbereitungen, aber irgendwie werden wir das schon schaffen. Sagen wir um 9.00 Uhr im Hafen, wäre das in Ordnung?“
“Neun Uhr, abgemacht. Und sieh zu, dass Du etwas Werkzeug mitbringst, das werden wir brauchen. Also dann bis morgen.“
Breuer legte auf und Henry Kimm blieb mit seinen Gedanken vor dem Telefon sitzen. Diese Nachricht war niederschmetternd. Einleuchtend zwar, aber absolut niederschmetternd! Er dachte nach, wie er das alles seiner Familie beibringen sollte. Es war ja in der Tat kaum zu verstehen. Doch es bleib ihm keine Zeit für weitere Überlegungen, denn Anita hatte gehört, dass das Gespräch beendet war.
“Na, was hatte Heinz auf dem Herzen?“, wollte sie wissen.
“Woher weißt Du denn überhaupt, dass es Heinz war?“, entgegnete Henry leicht gereizt, nicht, weil sie wieder mit einem Ohr versucht hatte, heimlicher Gesprächsteilnehmer zu werden, sondern weil er jetzt zu einer Antwort gezwungen war, von der er noch keine Ahnung hatte, wie er sie formulieren und in möglichst schonende Worte verkleiden sollte. Hätte sie nicht dieses eine Mal ihre Neugierde etwas bezähmen können? Wenigstens für fünf Minuten?
Aber Anita wollte nichts bezähmen und schon gar nicht ihre Neugier. Für sie war das auch nicht Neugier, sondern Wissensdurst, und das war in ihren Augen etwas völlig Anderes. Und als sie nun in der Türe stand und Henry ansah, kam der zu der Ansicht, dass es am Besten wäre, einfach alles so erzählen, wie ihm es von Heinz erzählt wurde: Schonungslos, in aller Offenheit und mit allem Ernst. Und so begann er, schonungslos das Gespräch so wiederzugeben, wie es abgelaufen war. Ohne etwas wegzulassen, ohne etwas zu beschönigen und ohne zu übertreiben. Rita war zwar erschüttert, schließlich gab es in letzter Zeit nur Horrormeldungen, aber man begann allmählich, sich daran zu gewöhnen und sie einfach hinzunehmen. Aus diesem Grunde verlor trotz dieser niederschmetternden Nachricht keineswegs die Fassung.
“Ich glaube, die Entscheidung, auf die Roseninsel zu gehen, ist richtig“, sagte sie nach kurzer Zeit des Überlegens. “Wir müssen es den Kindern erzählen.“
Die Kinder hatten noch nie etwas von der Pest gehört und kannten deshalb auch nicht die Gefahren, die mit dieser Krankheit verbunden waren. Dazu waren sie noch viel zu klein, und außerdem waren sie mit dieser Seuche niemals konfrontiert worden, da sie in Deutschland unbekannt war.
Herrmann, der mit seinen elf Jahren schon einigermaßen klar denken konnte, interessierte sich etwas genauer dafür und verlangte Erklärungen, die zu geben Henry Kimm kaum in der Lage war. Er wollte wissen, wie die Krankheit entsteht, wie man sich ansteckt, woran man erkennt, dass man die Krankheit hat, wie lange sie dauert usw..
“Das ist doch ganz einfach“, belehrte ihn Patricia, “wenn Papa raucht, ist die Luft verpestet. Und jeder, der in der gleichen Luft ist, verpestet sich dann auch. Und wenn die Mama das Zimmer lüftet und der Rauch wie der draußen ist, dann ist die Pest vorbei.“
“Na ja, ganz so funktioniert das mit der Lungenpest nicht, aber vom Prinzip her ist das schon richtig. Glaube ich wenigstens. Aber, wenn Ihr das genau wissen wollt, könnt ihr ja morgen Onkel Heinz fragen. Der kann Euch das mit Sicherheit besser erklären als ich.“
Henry Kimm war froh, dass ihm seine Tochter mit der einfachen Kindererklärung Schützenhilfe gegeben hatte. Auf jeden Fall war durch ihren Beitrag erst einmal die Gefahr stunden langer Diskussionen gebannt, und Henry konnte mit den längst fälligen Vorbereitungen beginnen. Die Zeit drängte mittlerweile und jeder war gezwungen, eine Aufgabe übernehmen.
Michael und Patricia halfen ihrer Mutter beim Einpacken der Kleidung und der Lebensmittel. Henry und Herrmann gingen in den Garten und ernteten das Gemüse ab, das inzwischen
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