Auszeit - Die groeßte Katastrophe der Menschheit
mehr im täglichen Leben spielen sollte.
Bernd Take lag ungefähr eine Stunde bewusstlos am Straßenrand, bevor er wieder seinen Zustand und seine nächste Umgebung wahrnahm und überhaupt realisierte, was geschehen war. Er erhob sich mühsam, sah leicht torkelnd an sich herab und stelle erschrocken fest, dass seine komplette Kleidung nicht nur total verschmutzt und zerrissen, sondern auch überall mit Blut befleckt war. Sein ganzes Gesicht und seine Hände waren blutverschmiert, wobei das Blut bereits so verkrustet war, dass es sich mit dem Taschentuch nicht mehr beseitigen ließ. Seine Nase war dick geschwollen, und durch das gestockte Blut in den Nasenlöchern konnte er nur schwer atmen.
Ich sehe ja wirklich jämmerlich aus, bemerkte er zu sich selbst, wobei er sein Fahrrad aufhob, das den Kampf völlig unbeschadet überstanden hatte. An dem Fahrrad waren die Jugendlichen nicht interessiert gewesen und hatten es deshalb einfach dort liegen lassen, wo es ihm nach den ersten Schlägen regelrecht aus der Hand gefallen war. Take merkte, dass er durch die Blessuren, die er erhalten hatte, momentan nicht in der Lage war, das Rad zu besteigen. Er konnte noch nicht einmal das Bein über die Querstande heben. So blieb ihm nichts anderes übrig, als es zu schieben und nebenher zu trotten. Nach einigen Minuten hatte er eine Hauptstraße erreicht, die er kannte und von der aus er seinen Weg nach Hause ohne weitere Irrungen antreten konnte. Die Straße war zwar nicht gerade belebt, doch traf er immer wieder Leute, die noch irgendetwas draußen zu schaffen hatten, obwohl es kaum mehr etwas zu schaffen gab. Der Anblick von Take war aufgrund seines erbärmlichen Zustands nicht gerade vertrauenerweckend, und so wurde er von den meisten wie ein Vagabund behandelt.
“Ihr seid wohl durch nichts umzubringen?“
“Jetzt sauft Ihr nicht nur, jetzt prügelt ihr Euch auch noch!“
“Erstaunlich, dass es Euch gelingt, immer noch weiter herunterzukommen.“
Das waren nur einige der Äußerungen, die er zu hören bekam, und er überlegte sich, ob die Obdachlosen, in der Zeit, in der das Leben noch funktionierte, auch immer mit solchen Bemerkungen hatten zurecht kommen müssen. Dabei fand er, dass alle Menschen mittlerweile selbst ohne Schlägereien ziemlich verwahrlost und heruntergekommen aussahen. Vielleicht war es aber auch nur die Aura, die mehr denn je Verwahrlosung ausstrahlte.
Eigentlich waren die Menschen schon immer verwahrlost, sinnierte Take. Sie haben es nur unter schönen Kleidern zu verstecken gewusst. Wir waren alle Meister im Verheimlichen und Verstecken, und die Industrie hat uns alle Möglichkeiten geboten, um dies über Jahrzehnte hinweg erfolgreich betreiben zu können. Und wenn die Kleider nicht genügten, haben wir Schminke aufgetragen, um unser wahres Ich zu verbergen. Jetzt gibt es keine Schminke mehr, und was nun zutage tritt, ist ein Gesicht, vor dem wir selbst davonlaufen würden, wenn wir es im Spiegel erblickten.
Als Take, noch immer im Stillen mit sich redend, sein Fahrrad um eine Hausecke schob, prallte er mit einer Frau zusammen, die von der anderen Seite kommend gerade die Straße überqueren wollte.
“Oh, ich bitte vielmals um Entschuldigung. Ich war wohl etwas in Gedanken“, versuchte er den Zusammenprall zu erklären und sah dabei der Frau in das erstaunte Gesicht. Dann stockte ihm kurz der Atem und er schluckte trockene Luft hinunter, ohne zunächst einen Ton heraus zu bekommen. Vor ihm stand Anette Moda und starrte ihn an.
“Waren Sie schon wieder einmal in einem U-Bahnschacht? Mein Gott, was ist passiert? Sie sehen ja fürchterlich aus!“
“Ich vermute, mein Anblick sieht im Moment nicht gerade gediegen aus. Die Reaktionen der Menschen, denen ich begegnet bin, sagen mir, dass ich im Augenblick nicht unbedingt an einem Schönheitswettbewerb teilnehmen sollte.“
Bernd erzählte ihr kurz, wie er zu seinem jetzigen Zustand gekommen war. Dabei bemerkte er zum ersten Mal, dass ihn eine leichte Übelkeit überkam und seine Beine kaum mehr den Körper tragen konnten. Anette hakte sich bei ihm ein.
“Jetzt werde ich Sie einmal zur Abwechslung nach Hause bringen. Vor ein paar Tagen haben Sie mir geholfen, nun bin ich an der Reihe. Ich war übrigens gerade bei Ihnen und wollte Sie zum Essen einladen. Gut, dass ich diesen Weg nach Hause gegangen bin und nicht die Straße, die ich normalerweise nehme, wenn ich aus dieser Richtung komme. Sie können eben
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