Auszeit - Die groeßte Katastrophe der Menschheit
haben, zusammenzubleiben? Beide wollten wir diese trostlose Einsamkeit besiegen? Hast Du den U-Bahnschacht vergessen? Damit hat doch alles angefangen. Unser Kennenlernen, unser Zusammenkommen, vielleicht sogar unsere zukünftige Liebe. Bitte töte diese Liebe nicht wieder, nur weil Du nicht aufwachen willst. Komm wieder zu mir zurück! Verdammt, ich habe keine Lust wieder alleine zu sein! Du hast hier eine Aufgabe zu erfüllen, nämlich mich zu schützen und dich um mich zu kümmern. Wach endlich auf, Du Verräter!“
Sie küsste ihn nochmals und streichelte ihn über die Haare. Er zeigte keinerlei Regung. Anette begann zu weinen und hielt sich die Hände vors Gesicht.
“Mein Gott, warum, warum, warum? Dabei hätte alles so schön werden können. Trotz der Schwierigkeiten, die alle Menschen jetzt haben. Trotz des immer noch vorhandenen Schmerzes über den Verlust unseres früheren Partners. Wir wären über alles hinweggekommen. Gemeinsam hätten wir das geschafft. Nicht sofort, aber längerfristig.“
Der Arzt klopfte draußen an die Trennscheibe und gab ihr Zeichen das Zimmer wieder zu verlassen. Anette wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, gab Bernd einen verzweifelten Abschiedskuss und wandte sich zum Gehen.
“Ich habe Durst. Gib mir bitte etwas zum Trinken!“
Anette war wie vom Schlag gerührt und ließ vor lauter Schreck ihre Tasche aus der Hand fallen. Sie drehte sich um, starrte Bernd an und blickte in seine geöffneten Augen.
“Was hast Du gesagt?“, fragte sie, obwohl sie ihn sehr gut verstanden hatte.
Aber wie viele Menschen, die Zeit zum Nachdenken brauchen, stellte sie eine rein rhetorische Frage, um sich damit ein paar Sekunden Zeit zu schaffen, um überhaupt auf die plötzliche Regung von Bernd reagieren zu können.
“Ich habe Durst. Ich möchte etwas zum Trinken“, wiederholte Bernd seine Bitte und erst jetzt war sich Anette absolut sicher, dass sie nicht einer Täuschung unterlegen war.
“Natürlich bekommst du was zum Trinken, ich besorge auf der Stelle etwas für Dich.“
Sie drehte sie sich zu dem vor ungläubigem Staunen mit offenem Mund hinter der Scheibe stehenden Arzt um und machte die Geste des Trinkens, wobei sie auf Bernd zeigte. Der Mund des Arztes klappte mit einem Schlag zu, dann drehte er sich um und rannte in die nächste Schwesternküche, wo er eine Kanne Tee und einen Trinkbecher so vom Tisch riss, dass die übrigen laut klirrend umfielen. Die beiden Schwestern, die gerade rauchend in der Küche eine Pause machten, sahen ihm nach und schüttelten den Kopf.
“Der hat auch nicht mehr alle Tassen im Schrank“, äußerte die eine. “Völlig überdreht. Das machen die vielen Überstunden.“
Nach den ersten Schlucken, die Anette vorsichtig Bernd aus dem Trinkbecher gegeben hatte, sah er sich mühsam im Zimmer um und fragte leicht verärgert:
“Wo bin ich eigentlich? Wie komme ich hier in dieses Bett?“
“Du bist im Krankenhaus,“ entgegnete Anette, wobei sie sich bemühte, möglichst sorglos zu klingen. “Du warst ziemlich krank. Doch jetzt geht es wieder bergauf. Nur noch ein paar Tage, und Du kannst aufstehen.“
Das sagte sie, obwohl sie so gut wie keine Ahnung von dem weiteren Genesungsverlauf hatte. Dennoch behielt Anette Recht. Vier Tage später konnte Bernd zum ersten Mal das Bett verlassen. Er stand zwar noch etwas wackelig auf den Beinen, aber es ging, und es ging wirklich bergauf, wie es Anette versprochen hatte.
Zwei Wochen, nachdem Bernd aus seinem Koma erwacht war, wurde er aus dem Krankenhaus entlassen. Anette holte ihn mit dem Fahrrad ab und bestand darauf, dass er sich auf den Gepäckträger setzte und sich von ihr chauffieren ließ. Sie hängte die Reisetasche, in der sie sein weniges Gepäck eingeordnet hatte, über den Lenker und fuhr los.
“Ich hätte doch ganz leicht selber Rad fahren können. So schwach bin ich nicht mehr“, protestierte Bernd, dem es sichtlich peinlich war, sich von einer Frau auf dem Rad fahren zu lassen.
“Du bist zwar nicht mehr schwach, aber Du bist auch noch nicht wieder richtig bei Kräften. Und solange Du nicht bei Kräften bist, bestimme ich, wann und womit du fährst.“
“Das Womit dürfte kaum zum Problem werden“, grinste Bernd. “Außer dem Fahrrad gibt es ja kaum etwas, mit dem man noch fahren könnte.“
Als er nach Hause kam, staunte er, wie weit die Buschbohnen und die Kohlrabis gediehen waren, die Anette in
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