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Auszeit für Engel: Roman (German Edition)

Auszeit für Engel: Roman (German Edition)

Titel: Auszeit für Engel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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sich nur noch um das eine, und eine entsetzliche Angst bemächtigte sich meiner. Was, wenn es diesmal ein Jahr dauerte? Was – fast undenkbar –, wenn es überhaupt nicht klappte?
    Aber wir hatten Glück: Die Fehlgeburt war Anfang Oktober,
und Mitte November war ich wieder schwanger. Es ist schwer, das taumelige Gefühl von Erleichterung und Glück zu beschreiben, als die blaue Linie auf dem Teststäbchen erschien. Hier war unsere zweite Chance. Atemlos hielten wir uns in den Armen, und wir weinten beide, vor Trauer über das verlorene Kind und vor Freude über das neue.
    Aber auf der Stelle war die Freude überschattet von Angst. Von blinder Panik, besser gesagt. Wenn ich dieses nun auch verlöre?
    »Der Blitz schlägt nicht zweimal ein«, sagte Garv, obwohl das nicht stimmte und obwohl es kein Blitz war.
    Ich traute mich kaum noch etwas. Ich ging nicht mehr in Pubs, weil ich keinen Zigarettenrauch einatmen wollte, ich fuhr mit fünfundzwanzig Stundenkilometern durch die Stadt (eigentlich recht schnell für Dublin), damit ich nicht plötzlich bremsen müsste, ich versagte mir jedes Rülpsen – was verständlich war, wenn man bedenkt, dass ich schon Angst hatte, den Fötus durch zu heftiges Atmen in Gefahr zu bringen.
    Schreckliche Träume suchten mich heim: Einmal träumte ich, das Baby sei tot, aber noch in meinem Bauch, und einmal träumte ich, ich hätte ein Huhn zur Welt gebracht. Und diesmal kam es auch nicht in Frage, dass wir die Arbeit schwänzten oder eine Handtasche von JP Tod’s kauften, denn letztes Mal waren wir so schlimm bestraft worden für unser Glücksgefühl, dass wir vor allem zurückschreckten, was wie eine Freudenfeier aussah.
    Allerdings war mir auch längst nicht so übel wie beim ersten Mal – nur manchmal, wenn ich über etwas lachen musste (was äußerst selten vorkam), ging mein Lachen nahtlos in ein trockenes Würgen über. (Ich konnte also zu jeder Dinnerparty gehen.)
    Wir werteten die geringere Übelkeit vorsichtig als gutes Zeichen. Obwohl es keine medizinische Grundlage dafür gab, erklärte ich Garv, mein schreckliches Unwohlsein beim ersten Mal sei ein Symptom dafür gewesen, dass etwas mit dem Fötus nicht stimmte. Er übernahm diese Sichtweise von mir, und so bestärkten wir uns gegenseitig.
    Aber jedes Zwicken konnte das Unheil ankündigen. Eines
Nachts hatte ich furchtbare Schmerzen in meinen Achselhöhlen, und ich war überzeugt, dass das Ende der Schwangerschaft gekommen war. Garv versuchte mich zu beruhigen, indem er mich darauf hinwies, dass meine Achselhöhlen meilenweit von meiner Gebärmutter entfernt waren, aber ich entgegnete uneinsichtig: »Ja, aber wenn jemand einen Herzinfarkt bekommt, fängt das auch mit Schmerzen in den Armen an«, und ich sah, dass ich ihm Angst gemacht hatte.
    Aber wir überstanden diese Nacht, und in der siebten Woche gingen wir zu unserer ersten Ultraschalluntersuchung, doch unsere Besorgnis überschattete die Freude, die wir beim ersten Mal empfunden hatten. Ich fragte ohne Unterlass, ob alles in Ordnung sei, und die Krankenschwester beteuerte immer wieder, dass dies der Fall sei.
    Als die neunte Woche näher rückte, stieg die Spannung immer mehr. In der neunten Woche selbst verlangsamte sich die Zeit, so dass das Ticken jeder einzelnen Sekunde zu hören war. Wir wagten kaum zu atmen, als wäre die Luft rationiert. Die Woche verging – wir fassten es kaum – ohne einen Zwischenfall, und wir segelten auf den klaren Wassern der zehnten Woche. Die dunkle Wolke verzog sich, und wir atmeten tief ein, als hätte die Luft den Duft von Schokolade – ich konnte die Veränderung in uns mit bloßem Auge sehen. Ich weiß noch, wie ich Garv zulächelte und er das Lächeln erwiderte, und wie schockiert ich war, als ich merkte, dass wir uns lange nicht zugelächelt hatten.
    Die zehnte Woche kam und ging. Die elfte Woche brach an, und wir gingen – viel erwartungsfroher als beim ersten Mal – zur zweiten Ultraschalluntersuchung. Was dann geschah, steigerte unsere Vorfreude mehr, als ich mir je hätte vorstellen können. Ich lag auf dem Untersuchungstisch, und die Krankenschwester bat uns, ganz still zu sein. Dann bediente sie einen Schalter, und plötzlich war das Herzklopfen unseres Kindes zu hören: ein schwaches Pittepatt, so schnell, dass es wie ein leichter Galopp klang.
    Ich kann das Ausmaß meiner Ergriffenheit und meiner Freude nicht schildern. Ich war wie im Rausch. Natürlich weinten wir beide hemmungslos, dann lachten wir, dann

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