Auszeit für Engel: Roman (German Edition)
gedreht, womit deutlich gemacht wurde, dass der Sex nicht der Unterhaltung diente, sondern wesentlich für die Handlung war. (Es ist außerordentlich unangenehm, zwischen seinen Eltern zu sitzen und explizite Sexszenen ansehen zu müssen.)
Es war einer von diesen Filmen, bei denen ich mir sehr dumm vorkam und die mich daran erinnerten, dass ich nicht zum College gegangen bin und nichts von Simone de Beauvoir gelesen habe, und dass mir Kieslowskis Film Rot , Teil seiner Drei-Farben- Trilogie, völlig albern schien (und ich hatte ihn mir sowieso nur angesehen, weil Eine fast perfekte Liebe ausverkauft war).
Während des Films wünschte ich mir erstens, dass die Sexszenen aufhörten, und zweitens, dass mir etwas einfallen würde, was ich Lara hinterher sagen könnte, etwas anderes als
»absoluter Schwachsinn«. Ich brauchte volle einhundertzwanzig Minuten, um darauf zu kommen, dass »interessant« ein geeigneter, neutraler Kommentar war.
Nach zwei schrecklichen Stunden – und meiner Meinung nach mitten in einer Szene – kam der Abspann, das Licht ging an, und es gab Applaus und Buhrufe. Mum drehte sich zu mir und sagte strahlend: »Wunderbar!« Dann murmelte sie: »Der seltsamste Film, den ich je gesehen habe. Ich fand schon Der englische Patient schlecht, aber das ist ja gar kein Vergleich mit diesem hier.«
Als alle aufstanden und dem Regisseur applaudierten, blieb Dad sitzen und blickte starr geradeaus. »Das war doch kein fertiger Film, oder? Das war doch nicht der Film, für den die Leute im Kino Geld bezahlen?« Es war ihm ganz ernst. »Vielleicht haben sie uns nur die rausgeschnittenen Szenen gezeigt?«
»Wo ist die Bar?«, fragte Helen.
»Ich gucke mal, ich muss sowieso aufs Klo.« Als ich mich unter vielen Entschuldigungen durch die Zuschauer in die Lobby drängte, hörte ich, wie jemand den Film als »sehr europäisch« beschrieb. Jemand anders sagte »mutig«, ein dritter sprach von »einer Herausforderung«. Ich merkte mir die Phrasen; sie wären sehr hilfreich, wenn ich wieder einmal einen Euphemismus für »absoluter Schwachsinn« brauchte.
»Maggie, Maggie!« Lara, leuchtend in einem schlauchartigen, bodenlangen, kupferfarbenen, perlenbesetzten Kleid und mit großer Barbarella-Frisur, winkte mich zu sich. »Danke, dass du gekommen bist. Wie fandest du den Film?«
»Fantastisch. Interessant, sehr interessant. Sehr europäisch.«
»Meinst du? Du mochtest ihn nicht!« Sie lachte erfreut.
»Nein, ich … also gut, es war nicht unbedingt das, was mir gefällt. Ich mag lieber Liebesfilme und so.«
»Das macht doch nichts. Ich muss jetzt mit ein paar Journalisten sprechen – ich komme später zu euch.«
Sie glitt schimmernd davon, und ich war glücklich – wenigstens mit Lara gab es keine Spannungen. Ich wollte sie meinen Eltern lieber nicht vorstellen, aber unser kurzes Techtelmechtel hatte keinen peinlichen Nachgeschmack hinterlassen.
Als ich aus der Damentoilette kam, fand ich den glitzernden Raum, in dem die Party stattfand: überall funkelnde Tabletts mit Champagner und Tische beladen mit Partyhäppchen. Ich nahm mir ein Glas Champagner und schob mich durch die Menge zu Emily, die mit Anna, Kirsty, Troy und – welche Überraschung – Helen in einer kleinen Gruppe stand.
»Waren diese alten Samtsessel nicht furchtbar, also, eklig?«, beschwerte Kirsty sich.
»Ich fand sie fabelhaft, ich mag dieses Kino«, sagte Emily, und wir anderen stimmten ihr zu.
»Igitt!«, rief Kirsty in dramatischem Ekel aus. »Das ist doch widerlich! Wenn du dir vorstellst, wer da alles vor dir drauf gesessen hat …«
Ich schaltete ab, nicht nur, weil ich sie hasste, sondern auch, weil merkwürdige Dinge mit den Partyhäppchen passierten. Die Berge verschwanden in rasendem Tempo, und jedesmal, wenn ich mich umdrehte, waren sie noch mehr geschrumpft, aber obwohl ich angestrengt hinguckte, entdeckte ich niemanden, der sich etwas in den Mund gesteckt hätte. Soweit man sehen konnten, aß niemand etwas, außer Dad, der an einem der Tische lehnte und sich bediente, aber er aß längst nicht alles auf. Selbst, als ich mich blitzschnell umdrehte, enthüllte sich das Geheimnis nicht, stattdessen wurde ich mit befremdeten Blicken bedacht.
»Und wie hat dir der Film gefallen, Kurze?«, fragte Troy Helen und sah sie bedeutungsvoll an.
Himmel, er hatte schon einen Kosenamen für sie! Fast tat Kirsty mir Leid.
Aber war ich eifersüchtig? fragte ich mich. Ich wollte auf keinen Fall eifersüchtig sein, ich hatte
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