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Auszeit für Engel: Roman (German Edition)

Auszeit für Engel: Roman (German Edition)

Titel: Auszeit für Engel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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mit ihm – ich schlief nur mit ihm, das war das Einzige, was wir machten. Alles, was mir von dieser Zeit in Erinnerung geblieben ist, ist
das ständige sehnsüchtige Warten, dass seine Mutter das Haus verlassen würde, damit ich ins Haus und aus meinen Kleidern schlüpfen konnte. Ich lebte in einem Zustand der dauerhaften Erregung; sogar wenn seine Mutter und seine jüngeren Schwestern zu Hause waren, ging es zwischen uns nur um Sex, obwohl wir es dann etwas heimlicher machten – wir gaben vor, fernzusehen, während ich eine Hand in seiner Hose und ein Auge auf den Türknauf hatte und meine Hose mit einem Kissen bedeckte. Manchmal gab seine nervöse Mutter dem ständigen Drängen nach und ließ uns in sein Zimmer gehen, um »Musik zu hören«. Dort schliefen wir, fast vollständig bekleidet, miteinander, ich mit hochgezogenem Rock, er mit runtergelassenen Jeans, so machten wir es und horchten, ob jemand die Treppe raufkam, und dann sprangen wir auf und bedeckten hastig unsere erhitzten Körper. Und wenn wir zu einer Party gingen, so war es eine Gelegenheit für ihn, mich in ein Zimmer zu zerren und auf einem Haufen Mäntel durchzuvögeln.
    »Ich lass euch mal, ihr habt euch sicher viel zu erzählen«, sagte Mum mit einem warmen Lächeln, drehte sich um und schob sich durch die Menge. Nie hätte ich geglaubt, dass meine Mutter einmal als Kupplerin für mich auftreten würde.
    »Seit wann hat sie diese liberalen Ansichten über Scheidung?« , fragte Shay.
    »Seit zehn Minuten.«
    Die Pause, die folgte, war entsetzlich. Mir fiel nichts ein, alle meine Fähigkeiten, Konversation zu machen, hatten mich verlassen, was sehr bedauerlich war, weil es so vieles gab, worüber ich gern mit ihm gesprochen hätte.
    »Nun gut«, sagte er, und ich wusste schon, was er sagen würde.
    »Die Zeit ist abgelaufen, wie?«
    »Was?«
    »Jetzt warst du schon über fünf Sekunden mit mir allein, da ist es an der Zeit, dass du mir die Hand entgegenstreckst und sagst: ›War schön, dich mal wieder zu sehen.‹ Stimmt’s?«
    Das gefiel ihm gar nicht. Er schien verblüfft – vielleicht weil er sich bei nicht perfektem Verhalten ertappt fühlte? Ich selbst
war auch ziemlich verblüfft, normalerweise bin ich nicht so direkt. Aber einst waren wir uns so nah gewesen, dass ich es vielleicht immer noch als mein Recht empfand, ihm alles auf den Kopf zuzusagen, was ich wollte.
    »Das ist es nicht.« Er suchte nach Worten. »Es ist nur … ich meine …« Er sah mich bittend an, als hoffte er auf mein Verständnis. Doch bevor wir weitersprechen konnten, hatte Dad Shay entdeckt und kam freudig auf ihn zu. »Shay Delaney, so wahr ich lebe! Wunderbar, jemanden aus der alten Heimat zu sehen!«
    Wieder schluckte ich einen Seufzer runter. Dad war noch keine zwei Tage aus Irland fort. Was haben die Iren nur? Rachel, meine Schwester, behauptet, wir können nicht mal einen Tagesausflug nach England unternehmen, ohne schwermütige Lieder darüber zu singen, wie wir gezwungen wurden, die grüne Insel zu verlassen, und wie sehr wir uns danach sehnen, wieder nach Hause zu kommen. Gibt es so etwas wie eine vererbte gemeinsame Erinnerung, so dass wir jedesmal, wenn wir das Land verlassen, daran denken müssen, dass unsere Vorfahren nach Australien deportiert wurden, weil sie ein Schaf gestohlen hatten?
    »Wir gehen jetzt ins Hotel zurück, weil uns der Jetlag wieder einholt, aber am Freitagabend lade ich alle zum Essen ein«, sagte Dad zu Shay. »Und ich werde es als persönliche Beleidigung auffassen, wenn du nicht dabei bist.«

39
    A m Donnerstagabend standen Mum, Dad, Helen und Anna plötzlich unangemeldet vor der Tür. Sie hatten einen Ausflug nach Disneyland gemacht, und ich hatte geglaubt, sie kämen nicht vor Mitternacht zurück. Ich wusste sofort, dass sie nicht rein zufällig vorbeischauten, denn Mum trug ihre beste Strickjacke und hatte ihren »Ausgeh-Mund«, das hieß, dass sie sich mit Lippenstift einen Ring um den Mund gemalt hatte, der breiter als ihre Lippen war. Sie sah aus wie ein sehr bürgerlicher Clown.
    »Kommt rein, kommt rein«, sagte ich. »Wie war’s in Disneyland?«
    Mum trat schweigend zur Seite, so dass Dad zu sehen war. Er trug eine Halskrause.
    »Oh.«
    »So war’s in Disneyland«, sagte Mum. »Er hat sich wieder auf dieses Log-Dings gestellt. Er wollte nicht hören. Er hört nie auf mich. Er weiß immer alles besser.«
    »Es hat sich gelohnt«, sagte Dad und musste seinen Körper ganz herumdrehen, um sie scharf

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