Auszeit für Engel: Roman (German Edition)
anzusehen.
»Dad, als du mit den anderen Steuerberatern hier warst, habt ihr da Anzüge getragen?«
»Ob wir Anzüge getragen haben?« Er klang schockiert. »Wir haben unser Land vertreten, selbstverständlich haben wir Anzüge getragen.«
»Wie hat es euch in Disneyland gefallen?«, fragte ich Helen.
»Gut, wir sind nämlich nicht gegangen. Stattdessen waren wir in Malibu und haben nach Surf-Göttern Ausschau gehalten.«
»Ihr habt doch kein Auto«, sagte Emily zu Anna. »Wie seid ihr zwei nach Malibu gekommen? Ihr seid doch nicht etwa … mit dem Bus gefahren?«
Anna schüttelte den Kopf. »Nein. Ethan und die anderen Jungen von nebenan haben uns in ihrem Dukes-of-Hazzard-Gefährt hingebracht.«
»Aber ihr habt sie erst gestern Abend kennen gelernt«
»Tempus fugit«, sagte Anna weise. »Warum Zeit verlieren?«
Alle im Zimmer schwiegen und sahen Anna an, denn Anna war diejenige, deren Motto immer gelautet hatte: »Tu nichts heute, was du nicht auf morgen verschieben kannst. Oder besser noch auf das nächste Jahr.«
»Anna ist scharf auf Ethan«, sagte Helen.
»Gar nicht wahr.«
»Wohl wahr.«
»Es ist nicht wahr.«
»Doch.«
»Stimmt das?«, fragte Emily mit weit aufgerissenen Augen.
»Nein!«
»Und ob«, beharrte Helen. »Wir müssen sie einfach ein bisschen foltern, damit sie es zugibt. Emily, hast du etwas, womit
wir ihr ein paar Elektroschocks verpassen können?«
»Guck mal in der Küche nach. Und wenn du schon da bist, bring doch bitte eine Flasche Wein mit und ein paar Gläser, ja?«
»Sag es doch einfach, Liebes«, sagte Mum. »Elektroschocks können ziemlich weh tun.«
»Ich bin nicht scharf auf ihn.«
Aus der Küche hörte man, wie in den Schubladen gewühlt wurde. »Emily, ich kann nur ein elektrisches Tranchiermesser finden«, rief Helen.
»Wenn ihr mich foltert, gehe ich nach Hause«, sagte Anna.
»Lass es. Bring einfach den Wein.«
»Und was habt ihr heute gemacht?«, fragte Mum.
Mein Tag war seltsam gewesen, verträumt, voller nostalgischer Erinnerungen; ich hatte mich zurückversetzt gefühlt in
eine Zeit, als ich siebzehn war und meine ersten Erfahrungen mit Shay machte. So viele Erinnerungen strömten auf mich ein, die bittersüßen Schmerz in mir auslösten …
Mums Stimme holte mich mit einem Ruck in die Gegenwart von Los Angeles zurück. »Man könnte glauben, ich spreche gegen eine Mauer«, sagte sie mit Schärfe. »Was hast du heute gemacht?«
»Oh, Entschuldigung. Ich habe die Wäsche gemacht. Ich war im Supermarkt.« Wo ich wieder von dem Zerlumpten angeschrien wurde, irgendwas mit einer Autojagd und »Lala«, die eine Kugel in den Oberschenkel bekommen hatte. Diesmal nahm ich es nicht persönlich. Ich lud meinen Einkaufswagen voll mit köstlichen Dingen und fragte mich, warum ich es immer bin, die in der Schlange hinter dem Kunden steht, der an der Kasse völlig überrascht feststellt, dass er bezahlen muss. Seine Einkäufe sind in Tüten gepackt, die Tüten stehen im Einkaufswagen, den der Kunde nur noch zum Auto schieben muss; dann hört er die Summe und ist ganz erstaunt und fängt an, sich von oben bis unten nach der Brieftasche abzutasten oder in der Handtasche danach zu kramen. Am Schluss bezahlt er mit seiner Kreditkarte, die beim Durchziehen durch den Scanner nicht funktioniert, oder er zählt der Kassiererin den Betrag in lauter kleinen Münzen in die Hand.
Dann kaufte ich nebenan in dem Drugstore einen Zungenschaber und wartete voller Hoffnung darauf, dass mein Leben sich ändern würde.
»Und zu Hause habe ich Emily ein bisschen geholfen.« Also, ich habe ihr einen Blaubeer-Smoothie gemacht, ich habe ihr ein anderes Wort für »knurren« vorgeschlagen und bin ans Telefon gegangen und habe Larry Savage erklärt, Emily hätte einen Darmspiegelungs-Termin, während sie in Wirklichkeit auf der Couch lag, rauchte und gleichzeitig weinte.
»Das war ein schöner Abend, gestern«, sagte Mum. »Abgesehen von dem Film. Shay Delaney hat sich kein bisschen verändert; es hat mir richtig gut getan, ihn zu sehen. Und morgen Abend kommt er mit uns allen zum Essen, sagt Dad.«
»Er kommt bestimmt nicht«, sagte ich. »Er hat nur aus Höflichkeit zugesagt.«
»Doch, er kommt«, sagte Mum. »Er hat ja gesagt.«
Dad hatte Shay praktisch das Messer an die Kehle gesetzt, kein Wunder, dass er da ja gesagt hatte.
»Ich finde ihn ein bisschen unheimlich«, sagte Helen. »Wie er dich angesehen hat, Maggie.«
»Er hat uns alle angesehen«, sagte Mum
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