Auszeit für Engel: Roman (German Edition)
richtig hart ziehen, um die Krause rauszukriegen.
Sie kleidet sich sehr modisch und selbstbewusst. Wenn eine neue Mode aufkommt, kaufe ich mir gewöhnlich ein paar Sachen in dem neuen Look und kombiniere sie mit den Resten im alten Look und finde, dass das ganz gut funktioniert. Nicht jedoch Emily. Zum Beispiel gab es doch mal den Rock-Chick-Look. Damals habe ich mir ein T-Shirt gekauft, auf dem in glänzenden rosa Buchstaben »Rock-Chick« stand, und dachte, das wäre der letzte Schrei. Emily jedoch erschien in Jeans im Schlangenledermuster, so eng wie Strumpfhosen, in violetten Cowboy-Stiefeln und mit einem rosafarbenen Lederhut. Doch statt ordinär auszusehen, war sie eine eindrucksvolle Erscheinung.
Außerdem hat sie ein gutes Gespür für Accessoires. Farbige Schuhe (eine Farbe, die nicht Schwarz ist, meine ich), Handtaschen in der Form von Blumentöpfen, auffällige Haarspangen, wenn die Gelegenheit es erforderte.
Ich lebe nicht komplett hinter dem Berg. Ich lese Zeitschriften, ich gehe mit Begeisterung einkaufen, und ich interessiere mich für Rocklängen, Absatzformen und die verschiedenen Sorten von Grundierungscremes, aber wirft man nur einen Blick auf meine unverheirateten Freundinnen, dann sieht man, dass sie alle dünner und schicker sind als ich und dass ihre Make-up-Beutel wahrhaftige Füllhörner mit den neuesten Wunderdingen sind. Während ich noch über einen neuen Modetrend lese, tragen sie ihn bereits. (Wie lange habe ich gebraucht, um zu merken, dass schimmernder blauer Lidschatten wieder in war! Ich darf es gar nicht sagen, so sehr schäme ich mich, und auch wenn es ein Klischee ist, so hat es doch etwas damit zu tun, dass ich einen Mann habe und nicht »da draußen« mitmische.)
Trotz unserer sehr unterschiedlichen Lebensstile und trotz der vielen tausend Meilen, die zwischen uns liegen, hat meine Freundschaft mit Emily immer noch Bestand. Wir schreiben uns zwei-, dreimal in der Woche E-Mails. Sie berichtet
mir von ihren katastrophalen Beziehungen und lässt sich von mir über mein langweiliges Eheleben erzählen, und dann gehen wir beide glücklich nach Hause.
Es macht mich unendlich traurig, dass wir es anscheinend nicht schaffen, auf demselben Kontinent zu leben. Garv und ich waren erst wenige Monate verheiratet, als wir für fünf Jahre nach Chicago gingen, und knapp vier Wochen bevor wir nach Irland zurückkamen, zog Emily nach Los Angeles.
Die Geschichte ging so: Emily hatte immer Schriftstellerin werden wollen. Sie versuchte sich mit ein paar Kurzgeschichten und Romanen und brachte nichts zuwege. Mir gefielen ihre Sachen, aber was verstand ich schon davon? Wie Helen immer sagt: Ich habe keine Fantasie.
Dann, vor ungefähr fünf Jahren, schrieb Emily das Drehbuch zu einem kurzen Film mit dem Titel Ein toller Tag , der von einer irischen Filmproduktion gekauft und im Fernsehen gezeigt wurde. Es war ein skurriler und charmanter Film, aber normalerweise werden Kurzfilme einmal gezeigt, dann verschwinden sie. Es gilt als eine Art Übung für Möchtegern-Filmemacher. Doch bei Ein toller Tag lief die Sache etwas anders, denn er war vierzehneinhalb Minuten lang und hatte damit eine ungewöhnliche Länge. Immer wenn es in Irland einen Korruptionsskandal gab (praktisch jede zweite Woche), waren die Neun-Uhr-Nachrichten voll mit Sonderberichten, anschließend wurde ein Kurzfilm als »Füller« gezeigt, bis es zehn Uhr war und das reguläre Programm fortgesetzt werden konnte. Innerhalb von vier Monaten wurde Ein toller Tag dreimal als Füller gezeigt, so dass der Film anfing, den Iren unter die Haut zu gehen. Landauf, landab, an Getränkeautomaten und Fotokopiergeräten und Bushaltestellen, fragten sich die Menschen gegenseitig: »Haben Sie gestern Abend den wunderhübschen Film gesehen, der nach den Nachrichten lief?« Über Nacht war Emilys Name, wenigstens in Irland, in aller Munde – niemand wusste genau, wer sie war, aber man hatte von ihr gehört, und alle hatten von ihrem Film gehört.
Sie hätte genug Geld in Irland verdienen können – wenn sie zu Flexibilität bereit gewesen wäre und neben Filmen auch Sitcoms, Fernsehspiele und Werbefilme gemacht hätte, mit
denen man offensichtlich sehr viel Geld verdienen kann. Aber sie beschloss, alles auf eine Karte zu setzen, ihre Stelle zu kündigen und nach Los Angeles zu gehen.
Die Zeit verging, dann kam die Nachricht, dass sie von einer der großen Agenturen in Hollywood unter Vertrag genommen worden sei. Nicht lange darauf hieß es,
Weitere Kostenlose Bücher