Auszeit für Engel: Roman (German Edition)
unsanft unterbrochen, als er mich anfuhr: »Der Grund für Ihre Reise in die Vereinigten Staaten?«
»Ferien.«
»Wo werden Sie wohnen?«
»In Santa Monica bei einer Bekannten.«
»Was ist das für eine Bekannte in Santa Monica? Was macht sie?«
»Sie ist Drehbuchschreiberin.«
Und Mr. Ekel verwandelte sich vor meinen Augen, das schwöre ich. Er setzte sich gerade hin, hörte auf, mich mit verächtlich zusammengekniffenem Blick zu mustern, und war plötzlich zuckersüß.
»Ach ja? Hat jemand ihr Drehbuch gekauft?«
»Universal.« Oder war es Paramount? Aber sie hatten es ja nicht verwertet …
»Meinen Sie, ich könnte in dem Film mitspielen?«, witzelte er. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob es wirklich ein Witz war.
»Weiß nicht«, erwiderte ich nervös.
»Das wissen Sie nicht«, sagte er seufzend, griff nach seinem Stempel und knallte ihn auf den offen liegenden Pass.
Ich hatte die Einreise geschafft!
Und da stand Emily und tippte mit ihrem (in wunderhübschen japanischen Sandalen steckenden) Fuß ungeduldig auf den Boden. Gott, es war so gut, sie zu sehen.
»Wie geht es dir? Dem Nervenzusammenbruch nahe vom Jetlag?«, fragte sie mitleidig.
»Reif für die Klapsmühle. Ich glaube, ich habe im Flugzeug drei Filme gesehen, aber ich kann dir nicht erzählen, worum es darin ging. Einer handelte vielleicht von einem Hund.«
»Gib mal her.« Emily übernahm meinen Kofferkuli und schob ihn in flottem Tempo zum Flughafen-Parkplatz.
Die Hitze schlug mir entgegen, als hätte Gott eine riesige Ofentür aufgestoßen. »Himmel!«, rief ich.
»Ist nicht weit«, ermunterte sie mich.
»He, guck mal.« Einen Moment lang war ich von der betäubenden Hitze abgelenkt, weil mein Blick auf eine Gruppe von Hippie-Typen fiel, die türkisfarbene Roben trugen und auf einem Rasenstück saßen, wo sie das Tamburin schlugen und gemeinsam sangen. Ich vermutete halbwegs, dass sie speziell für mich aufgefahren worden waren – Willkommen in L.A. –, so wie man in Hawaii von einer exotischen Schönheit eine Blumengirlande um den Hals gelegt bekommt.
Emily war nicht beeindruckt. »Die gibt’s hier haufenweise. Steig ein«, sagte sie und machte die Autotür auf. »Die Klimaanlage springt gleich an.«
Ich war noch nie in Los Angeles gewesen, aber ich hätte es jederzeit erkannt. Alles war so vertraut – der sechzehnspurige Freeway, die hohen, schlanken Palmen, die niedrigen Lehmhäuser. Die Skyline verlief knapp über dem Boden und dehnte sich endlos aus – überhaupt kein Vergleich mit Chicago.
Alle paar Blocks kamen wir an kleinen Einkaufszentren vorbei mit Werbetafeln für Hundesalons, Kosmetiksalons, Waffengeschäfte, Alarmanlagen, Zahnarztpraxen, Bräunungsstudios, wieder Hundesalons …
»Man braucht viele Hunde für all die Hundesalons«, bemerkte ich verträumt. Der Jetlag machte sich bemerkbar. Ich driftete ab.
Emily hatte keine Zeit für solchen Unsinn. Ich hatte eine Geschichte zu erzählen, und die wollte sie hören. »Was ist los mit dir und Garv?«
Ich verspürte ein großes Verlangen, aus dem fahrenden Auto zu springen. »Wir haben uns gegenseitig das Leben schwer gemacht«, sagte ich aufs Geratewohl. »Deswegen haben wir die Sache beendet.«
»Ja, aber –« Ich hörte die Angst in ihrer Stimme. »Ihr habt euch doch nicht getrennt , oder? Es ist doch nur vorübergehend. Wegen allem, was passiert ist, oder?«
War das eine Verschwörung? Warum wollte niemand akzeptieren, dass es vorbei war?
»Doch, wir haben uns getrennt.« Mein rechter Arm fing an zu jucken. »Es ist aus und vorbei.«
»Mein Gott.« Sie klang richtig unglücklich. »Aber ihr werdet euch doch nicht … scheiden lassen?«
Scham überflutete mich. »Was sollen wir sonst machen?«
»Habt ihr das schon eingeleitet?«
»Noch nicht. Wir warten, bis ich zurückkomme.« Mit diesen Worten wurde etwas, das mir abstrakt klar gewesen war, zu einer Tatsache in meinem Leben: »Ich bin dann eine geschiedene Frau!«
»Ehm … wenn ihr euch scheiden lasst, vermutlich.« Emily warf mir einen besorgten Blick zu. »Ist das ein Schock für dich?«
»Nein, nur … ich habe es gerade erst richtig begriffen.« Dennoch – es hatte nicht unbedingt zu meinem Lebensplan gehört!
»Eine Geschiedene.« Ich probierte das Wort erneut aus, und das dauerhafte Gefühl, gescheitert zu sein, verstärkte sich in mir. Ich versuchte, einen lockeren Ton anzuschlagen: »Du weißt ja, was das heißt. Ich lasse mir die Haare platinblond färben und
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