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Auszeit für Engel: Roman (German Edition)

Auszeit für Engel: Roman (German Edition)

Titel: Auszeit für Engel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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eine andere hatte, dann wollte ich es überhaupt nicht wissen. »Es ist dein Haus«, sagte er, »zur Hälfte gehört es dir.«
    In dem Moment hatte ich den ersten normalen Gedanken, den ein Mensch haben sollte, wenn seine Ehe gescheitert war – wir würden das Haus verkaufen müssen. Der Nebel lichtete sich, und meine Zukunft spulte sich vor mir ab wie ein Film. Das Haus würde verkauft, ich hätte kein Zuhause mehr, ich müsste mir eine neue Wohnung suchen, ein neues Leben aufbauen, allein leben. Und wer wäre ich dann? Mein Selbstverständnis war so sehr mit meiner Ehe verbunden, dass ich – ehelos – keine Ahnung hatte, wer ich war.
    Ich fühlte mich losgelöst von allem, als schwebte ich in der Leere von Zeit und Raum, aber darüber konnte ich jetzt nicht nachdenken.
    »Wie geht es dir, alles in allem? Geht es dir einigermaßen?«, fragte Garv.
    »Ja. In Anbetracht der Umstände. Und dir?«
    »Ja.« Ein atemloses kleines Lachen. »In Anbetracht der Umstände. Melde dich mal«, sagte er und machte einen komischen Schritt auf mich zu. Es sollte eine Umarmung werden, war dann aber nur ein Schultertätscheln.
    »Klar.« Ich wich vor seiner Wärme und seinem vertrauten Geruch zurück. Ich wollte nicht zu nah an ihn herankommen.
    Wir verabschiedeten uns voneinander wie Fremde.
    Ich sah ihm vom Fenster aus nach. Das ist mein Mann, sagte
ich mir und staunte, wie unwirklich das schien. Bald würde er mein ehemaliger Mann sein, und ein Jahrzehnt meines Lebens wäre mit ihm dahingegangen. Als er die kurze Einfahrt entlangschritt und dann hinter die Hecke bog, wurde ich von einem Anfall heißer Wut geschüttelt. Mach schon , wollte ich mit lauter Stimme hinter ihm herrufen, verpiss dich und geh zu deiner Trüffel-Frau. So schnell der Wutanfall gekommen war, so schnell verschwand er auch, und ich fühlte mich wieder bleiern und irgendwie leblos.
     
    Helen war die Einzige, die meine Reise nach L.A. für eine gute Idee hielt.
    »Raffiniert eingefädelt«, sagte sie. »Denk an all die Männer. Lauter sexy Surfer-Typen.« Sie stöhnte. »Oh, Mann . Braun gebrannt, wirre, salzverkrustete, sonnengebleichte Haare, Waschbrettbauch, Beine muskulös vom Surfen –« Sie schwieg einen Moment und verkündete dann: »Himmel, vielleicht komme ich mit.«
    Und dann wurde mir klar: Ich war ein Single. Ich war eine allein stehende Frau Mitte dreißig, ich hatte zehn Jahre im sicheren Schutz einer Ehe verbracht und konnte mir nicht vorstellen, wie es sein würde, allein zu sein. Natürlich wusste ich über das Single-Dasein Bescheid, über die Kultur der Singles von dreißig und drüber. Ich hatte die Statistiken gelesen: Eine dreißigjährige Frau hatte größere Chancen, von Außerirdischen entführt zu werden (so war es, glaube ich), als einen Heiratsantrag zu bekommen. Ich hatte meine unverheirateten Schwestern und Freundinnen bei ihrem Bemühen beobachtet, die wahre Liebe zu finden, und wenn sie wieder Liebeskummer hatten, dann hatte ich mit ihnen darüber nachgegrübelt, wo all die guten Männer waren, aber es hatte mich nicht richtig berührt. Es war nicht selbstgefällig von mir – wenigstens nicht bewusst –, aber es stimmt zweifelsohne, dass Hochmut vor dem Fall kommt.
    Ich hatte keinen Mann. Ich unterschied mich nicht von Emily oder Sinead oder anderen Frauen.
    Obwohl ich, wenn ich ehrlich war, auch keinen Mann wollte. Ich wollte nicht mehr mit Garv zusammen sein, aber ich
war wie ausgebremst. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, mit einem anderen Mann zusammen zu sein.
    In dem Moment hatte ich meinen zweiten normalen Gedanken. Mein Leben ist vorbei . Das war das Einzige, was ich sicher wusste, die einzige feste Tatsache in einer unsicheren Welt. Ich hielt mich an diesem Wissen fest, denn ich fand es seltsam tröstlich.
     
    Die Einreiseformalitäten dauerten ewig. Endlich stand ich am Schalter und reichte einem dicken, unfreundlich wirkenden Mann meinen Pass. (Es war ganz unerheblich, an welchen Schalter man kam; wahrscheinlich gibt es irgendwo eine Fabrik, wo diese Männer hergestellt werden.)
    Als er seinen angewiderten Blick über mich wandern ließ, überlegte ich plötzlich, ob er verheiratet oder geschieden war. Nicht – will ich eilig hinzufügen – weil ich ihn attraktiv fand. Die gleiche Frage hatte ich mir im Flugzeug über die Frau gestellt, die neben mir saß, und ich bin mir ganz sicher, dass ich sie nicht attraktiv fand. Ich wollte einfach nicht die Einzige sein …
    Meine Überlegungen wurden

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