Auszeit für Engel: Roman (German Edition)
selbst verrückt, indem ich mich dauernd fragte, ob die anderen verheiratet waren …
Im Nu hatten sie ihre Shorts und Tops ausgezogen und zeigten sich in winzigen Bikinis, mit flachen Bäuchen und goldenen Oberschenkeln, die muskulös und straff waren. Noch nie
hat man zwei Menschen gesehen, die sich in ihren Körpern wohler fühlten; ich hätte sie gern vertrieben.
Ihretwegen konnte ich meinen Sarong nicht ausziehen. Als einige Zeit verstrichen war und ich mich davon überzeugt hatte, dass niemand ein Interesse an mir zeigte, nahm ich ihn doch ab. Ich hielt den Atem an, überzeugt, dass im nächsten Moment einer vom Lebensrettungsdienst schockiert aufschrecken und mit dem Erste-Hilfe-Kasten unterm Arm, zu vibrierender Rockmusik und in Zeitlupe, auf mich zugerannt kommen und sagen würde: »Tut mir Leid, Madam, wir müssen Sie des Strandes verweisen. Das hier ist ein Familienstrand – Sie verstören die anderen.«
Doch es kam zu keinem dramatischen Ausbruch, also rieb ich mich mit Faktor-acht-Sonnencreme ein und legte mich zum Braten hin Die Gefahr von Hautkrebs schien mir die Geringste meiner Sorgen. Mein Gott, war ich weiß! Ich hätte vor der Reise Bräunungscreme nehmen sollen. Sofort musste ich an Garv denken, denn wenn ich Bräunungscreme anwandte, machte ich das immer mit Plastikhandschuhen, und er sagte dann immer: »Oh, Schwester, jetzt kommen Sie mit den Operationshandschuhen!«
Oh, mein Gott. Ich schloss die Augen und döste und wurde von dem rhythmischen Rauschen der Wellen, der gelben Wärme der Sonne und hin und wieder von einem kurzen, kühlen Windhauch eingelullt.
Eigentlich war es ganz angenehm, bis ich mich auf den Bauch drehte und feststellte, dass keiner da war, der mir den Rücken einreiben konnte. Garv hätte es getan. Plötzlich fühlte ich mich sehr einsam, und wieder überwältigte mich das Gefühl: Mein Leben ist vorbei .
Beim Packen am Abend vor meiner Reise hatte ich genau das zu Anna und Helen gesagt: »Mein Leben ist vorbei.«
»Das stimmt nicht.« Anna war sichtlich bekümmert.
»Bevormunde sie nicht«, sagte Helen darauf.
»Du lernst jemand Neues kennen, du bist noch jung«, sagte Anna ohne rechte Überzeugung.
»Na, das stimmt wohl kaum«, fuhr Helen dazwischen, »nicht mit dreiunddreißig.«
»Und du siehst gut aus«, ließ Anna sich nicht beirren.
»Das stimmt, schlecht sieht sie nicht aus«, gab Helen widerstrebend zu. »Du hast schöne Haare. Und deine Haut ist gut. Für jemanden in deinem Alter.«
»Weil sie so gesund gelebt hat«, sagte Anna.
»Weil sie so gesund gelebt hat«, sagte auch Helen feierlich.
Ich seufzte. Ich hatte nicht besonders gesund gelebt, nur nicht so ungesund wie sie, und dass meine Haut in Anbetracht meines Alters gut war, lag an all der teuren Nachtcreme, die ich so dick auftrug, dass ich immer vom Kissen rutschte, aber ich sagte nichts.
»Und …«, fügte Helen zögernd hinzu. Ich beugte mich vor, damit ich ihre freundlichen Worte besser hören konnte. »Du hast eine hübsche Handtasche.«
Enttäuscht ließ ich mich zurückfallen.
»Komisch, eigentlich«, sagte sie sinnend. »Ich hätte nie gedacht, dass du der Typ für teure Handtaschen bist.«
Ich wollte protestieren: Ich bin sehr wohl der Typ für teure Handtaschen, das könnte ich schwören. Aber ich wollte nicht wieder Streit mit Helen anfangen und sie zu überzeugen versuchen, dass ich leichtsinnig mit Geld war.
Außerdem war es Garv gewesen, der mir die hübsche Handtasche, um die es ging, geschenkt hatte.
»Nie im Leben!« Helen schmunzelte. »Ich soll wirklich glauben, dass Mr. Garv mit den zugeknöpften Taschen so viel für ein sac à main springen hat lassen. Das ist Französisch, musst du wissen. Jedenfalls, du hast doch gesagt, dass dein Leben vorbei ist. Dann brauchst du doch auch deine Handtasche nicht mehr, oder?«
Aber ich war nicht bereit, sie ihr zu geben, worauf sie misstrauisch sagte: »So vorbei kann dein Leben ja dann nicht sein, wie?«
»Sei still. Ich lasse dir ja schon mein Auto.«
»Nur für einen Monat. Und ich muss es mit ihr teilen.« Sie deutete mit dem Kopf auf Anna.
Da hörte ich etwas, das mich in die Gegenwart zurückkatapultierte.
»Eis in der Waffel!«
Ich setzte mich auf. Unter dem Gewicht eines Eiskastens wankend, ging ein junger Mann am Strand entlang; er konnte nicht ernstlich hoffen, sein Eis je zu verkaufen. Nicht diesen magersüchtigen Menschen.
»Eis am Stiel?«, rief er mutlos. »Gelato? Kirscheis?«
Er tat mir Leid. Außerdem
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