Auszeit für Engel: Roman (German Edition)
darauf? Gütiger Himmel!« Ihre Miene drückte große Sorge um mich aus. »Dir muss es wirklich ziemlich schlecht gehen.«
Sie sprang von ihrem Stuhl auf und umarmte mich mit ihrem kleinen, drahtigen Emily-Körper, und die Berührung ging mir so nah, dass ich zum ersten Mal, seit ich Garv verlassen hatte, weinen konnte. Alle meine Tränen waren bis zu diesem Moment fest verpackt, eingefroren und unerreichbar in mir drin.
»Es ist alles so traurig«, schluchzte ich. »Es ist so furchtbar, furchtbar traurig.«
»Ich weiß, ich weiß, ich weiß.« Immer weiter im Kreis.
Die Trauer, von der ich bis dahin nur aus meinen Augenwinkeln kurze Blicke erhascht hatte, stand plötzlich deutlich vor mir, und ich spürte das gesamte Gewicht unserer enttäuschten Hoffnungen.
Das Ende einer Ehe ist das Schlimmste auf der ganzen Welt. Man heiratet doch nicht mit dem Gedanken, dass die eigene Ehe keinen Bestand haben könnte, oder?
Ich sah das Bild von mir mit vierundzwanzig und Garv mit fünfundzwanzig, und der Gedanke an unser unschuldiges Vertrauen in die Zukunft brachte mich um.
»Die ganze Hoffnung, die wir hatten, und es hat uns nichts genützt.« Ich presste ein Knäuel Küchentücher an mein triefendes Gesicht. »Ich musste gehen, Emily, es ging nicht mehr anders, es war so furchtbar. Er wäre gegangen, wenn ich nicht gegangen wäre. Und jetzt ist es alles vorbei-iii.«
»Ich weiß, ich weiß, ich weiß«, murmelte Emily. »Ich weiß.«
»Ich dachte, ich würde nie wieder so traurig sein wie letzten Februar«, brachte ich unter Tränen hervor, »aber jetzt bin
ich es do-o-och. Es ist viel trauriger als die kleinen Kinder in Die Asche meiner Mutter .«
»Auch trauriger als in Laura in der Prärie , als Mary blind wird?«
»Ja, auch.«
Aber sie hatte es geschafft. Sie hatte mich zum Lächeln gebracht. Nachdem sie mich ein wenig abgetrocknet und ich mir die Nase geputzt hatte, lockte sie: »Magst du einen Protein-Shake trinken? Es ist eine lokale Köstlichkeit.«
»Meinetwegen.«
Emily bereitete mir einen (wirklich köstlichen) Shake zu, und wir saßen draußen in ihrem winzigen, sonnenbeschienenen Garten, und als ich mich ein bisschen ruhiger fühlte, machte Emily einen erneuten Vorstoß, um die Sache mit mir und Garv zu verstehen.
»Irgendwie fühlt es sich voreilig an. Zu plötzlich.«
Ich saß schweigend da, während mein Arm heißer wurde und zu jucken anfing.
»Nichts endet so sauber«, beharrte sie.
»Es ist nicht sauber.«
Sie versuchte es auf die lustige Tour. »Ihr habt wesentliche Teile des Trennungsprozesses ausgelassen. Normalerweise geht man zur Eheberatung, und dann muss man mindestens zwei Versöhnungsversuche unternehmen. Die sind zu einem schrecklichen Scheitern verurteilt, und wenn du glaubst, du bist jetzt bitter, dann ist das gar nichts, verglichen damit, wie du dich danach fühlen wirst. Erst dann darf es vorbei sein.«
»Es könnte nicht mehr vorbei sein als jetzt, weil er …« – ich konnte mich nicht dazu bringen zu sagen: Weil er mit einer anderen schläft – »weil er eine andere hat. Ich könnte ihm nie wieder vertrauen. Oder ihm verzeihen.«
»Das verstehe ich«, begann sie. »Aber das hat mit –«
»Bitte, Emily!« Im ersten Moment klang ich barsch, doch dann war mein Ton eher verzweifelt. »Es ist vorbei, und es ist wichtig für mich, dass du das glaubst, denn ich kann nicht dauernd darüber sprechen.«
»Ist gut. Tut mir Leid.« Sie schien froh, dass das Gespräch
damit beendet war. Sie sah erschöpft aus. »Wozu hättest du heute Lust?«
»Keine Ahnung.«
»Ich muss heute Morgen zu meinem Steuerberater, wegen meiner Einkommenssteuer«, sagte sie. »Du kannst gerne mitkommen, oder ich kann dich zum Strand bringen.«
Ich wollte nicht allein sein. Aber ich würde mir äußerst dumm vorkommen, wenn ich neben Emily beim Steuerberater säße, während sie mit ihm ihre Steuererklärung besprach. Die Sonne brannte heiß auf die Steine, und ich war ja schon groß.
»Ich gehe zum Strand«, sagte ich und schluckte.
»Wie steht’s mit deinen Finanzen?«, fragte Emily. »Nicht, dass ich dich um Geld bitte«, fügte sie rasch hinzu.
»Garv hat gesagt, er würde die Zahlungen für das Haus übernehmen, und ich habe meine Kreditkarte. Allerdings kann ich die erst abbezahlen, wenn ich eine neue Stelle habe.« Irgendwie war diese Sorge nicht so drängend wie sonst. »Und ich habe noch ein bisschen auf meinem Girokonto.«
Eigentlich war das Hübsche-Kleinigkeiten-Konto ganz
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