Auszeit für Engel: Roman (German Edition)
gewöhnt und daran, den Fernseher auszustellen, wann ich das wollte.
Aber war das schon ein hinreichender Grund für eine Versöhnung? Wahrscheinlich nicht, gestand ich mir zögernd ein.
Ich musste irgendwann eingeschlafen sein, aber jetzt war ich wieder wach.
Als erneut Maschinengewehrfeuer erklang, pochte mein Herz wie wild gegen die Rippen. Was war da draußen nur los?
Wenn ich nur nach Hause könnte, dachte ich sehnsuchtsvoll. Aber ich vermutete, ich würde aushalten müssen. Wenn sich herumsprach, dass ich die lange Reise nach Los Angeles gemacht hatte und dann nur einen Tag geblieben war, würden alle denken, ich hätte einen Zusammenbruch gehabt. Und hier ging es nicht nur um mich; es war klar, dass Emily jemanden brauchte, der sich um sie kümmerte. Himmel, vielleicht würden wir zusammen nach Hause fliegen, ein Paar von Versagern. Im Flugzeug würden wir von den anderen Passagieren getrennt sitzen müssen, damit wir sie nicht ansteckten.
Bei einem Geräusch am Fenster fuhr ich im Bett hoch. Was war das? Ein Ast, der gegen das Glas schlug? Oder ein Verrückter auf der Suche nach einem weiblichen Wesen, das er quälen und umbringen konnte? Jede Wette, dass es ein Verrückter war. Schließlich war das hier Los Angeles, wo, Berichten zufolge, jede Menge pathologischer Mörder lebten. Ich hatte ein oder zwei Jackie-Collins-Romane gelesen und wusste über Psychotiker, die kursiv dachten, Bescheid:
Gleich war es so weit. Gleich würde er Rache nehmen können. Und dann würde es ihnen Leid tun, dass sie ihn ausgelacht hatten und seine Anrufe nicht beantwortet hatten. Jetzt war er stark. Nie war er stärker gewesen. Und er hatte sein Messer. Das Messer, das ihm jederzeit zu Gebote stehen würde. Erst würde er ihr das Haar abschneiden, dann den Schmuck, und dann würde er anfangen, ihr die Haut aufzuschlitzen. Sie würde ihn anflehen, um Gnade betteln, darum, dass der Schmerz aufhören möge. Aber er würde nicht aufhören, denn diesmal sollte sie den Schmerz erfahren, diesmal sollte sie …
Mir brach der Schweiß aus. Diese kalifornischen Holzhäuser waren so leicht gebaut, und im Erdgeschoss fühlte ich mich außerordentlich verwundbar.
Schweißnass vor Angst musste ich das Licht anmachen und in Emilys Bücherregal nach einem Buch suchen. Möglichst etwas Leichtes, das mich von meiner bevorstehenden Folter ablenken würde. Aber weil ich in ihrem Büro war, fand ich nichts außer einigen Handbüchern über das Verfassen von Drehbüchern. Dann entdeckte ich einen Stapel bedruckter Seiten auf dem Schreibtisch. Kein Bargeld , ihr neues Drehbuch. Das würde ich lesen.
Nach zwei Seiten war ich gefesselt und hatte den herumstreunenden Verrückten vergessen. Die Geschichte handelte von zwei Frauen, die einen Juwelendiebstahl begehen, um für die Schönheitsoperationen ihrer Töchter zu bezahlen, damit die mehr Glück bei Männern hätten als sie selbst. Es war eine Comedy, ein Thriller, eine Liebesgeschichte, und vor allem war es Hollywood, mit den erforderlichen Kitschelementen. (»Aber ich habe dich doch lieb, Mom. Du brauchst mir keine neuen Brüste zu schenken.«)
Kurz bevor ich wieder einschlief, dachte ich verschwommen: Ich würde ein Angebot machen …
Als ich wieder aufwachte, war ich zu Tode erschrocken – die Sonne schien und ließ zitronengelbes Licht ins Zimmer strömen. Mit klopfendem Herzen fragte ich mich: Wo bin ich bloß? Die letzten neun Monate kamen auf mich zugaloppiert, voll gepackt mit schrecklichen Erinnerungen, die sie über mir entluden, bis mir einfiel, warum ich an diesem seltsamen, sonnigen Ort war. Ach ja …
Emily war in der Küche und hämmerte auf die Tasten ihres Laptops.
»Morgen«, sagte ich. »Du arbeitest?«
»Ja, an einem neuen Drehbuch.«
»An einem neuen Neuen?«
»Ja.« Sie lachte, dann stand sie auf und bereitete ein Getränk zu, das ich später einen Protein-Shake zu nennen lernte. »Ich weiß nicht, ob es was taugt, aber ich muss weitermachen, falls Kein Bargeld ein Reinfall ist.«
Der reine Albtraum, dachte ich. Um uns beide aufzuheitern, sagte ich: »Ein herrlicher Tag, was?«
»Ja, stimmt.« Sie klang überrascht. »Hier ist es jeden Tag so. Hast du das Feuerwerk gestern Abend gehört?«
»Das Feuerwerk?«
»Ja, vom Santa-Monica-Festival. Aber du hast wahrscheinlich tief und fest geschlafen.«
»Nein, ich habe es gehört.« Dann sagte ich schnell, und es war mir sehr peinlich: »Ich dachte, es wären Maschinengewehrsalven.«
»Wie kommst du denn
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