Auszeit für Engel: Roman (German Edition)
nicht?«
»Ich hatte nicht das, was man braucht.« Sie legte den Kopf in den Nacken und kippte sich eine Handvoll Cracker in den Mund. »Ich war nicht dünn genug. Und nicht schön genug.«
»Aber du bist doch sehr schön.«
»Sie ist scharf auf mich«, schnurrte Lara.
Emily sah sie streng an, doch dann wurde die Unterhaltung von dem Klingeln von Laras Mobiltelefon unterbrochen. Lara plauderte eine Weile angeregt und klappte dann ihr Telefon zu. »Das war Kirsty, sie ist in der Nähe und kommt gleich auf einen Drink vorbei.«
Emily verzog das Gesicht. »Auf ein alkoholfreies, fettarmes, salzfreies Glas Wasser mit einer Scheibe ungespritzter Zitrone in einem bleifreien Glas.«
»So übel ist sie nicht«, sagte Lara.
»Klar. So tugendhaft und humorfrei. Und sie findet sich sagenhaft hübsch.«
»Das ist sie auch.«
»Das ist kein Grund, überall damit anzugeben.« Emily sprach zu mir. »Einmal, da haben wir alle darüber gesprochen, welche Schauspieler uns in der Geschichte unseres Lebens spielen würde – ich weiß, das machen die Leute in L.A. – und Lara hier, die wunderschöne Lara, sagt Kathy Bates. Ich sage E.T. mit einer Afro-Perücke, Justin sagt John Goodman und sogar Troy sagt Sam, der amerikanische Adler aus der Muppet Show, und wer soll Kirstys Meinung nach Kirsty spielen? Nicole Kidman, keine Geringere. Sie sagt, die Leute halten sie ständig
für Nicole Kidman. Bildet sie sich ein. Bevor sie kommt, will ich euch schnell was zeigen.«
Sie machte ihre Handtasche auf und zog ganz langsam einen Schlüsselring heraus. Ich erkannte ihn. Er war aus dem Geschäft, wo sie die Kleider gekauft hatte, und das Logo war mit Strass abgesetzt.
»Ich war wieder einmal böse«, sagte Emily, konnte sich aber ein Grinsen nicht verkneifen.
»O nein«, stöhnte Lara. »Du musst unbedingt damit aufhören!«
»Du hast ihn gestohlen?«
»Sagen wir lieber: befreit. Mann, ich stehe zur Zeit ganz schön unter Stress.«
»Das weiß ich, aber könntest du dir nicht eine Kassette mit Entspannungsmusik anhören?«, fragte ich.
»Du bist nur neidisch«, sagte Emily.
»Das stimmt«, gestand ich.
Ich hatte nur ein einziges Mal in meinem Leben etwas aus einem Geschäft mitgehen lassen – ein Eis am Stiel aus einem Zeitungsladen. Ich wollte es nicht einmal selbst haben, aber Adrienne Quigley hatte mich herausgefordert. Jedenfalls – wen wundert es? –, ich wurde geschnappt. Der Mann war sehr nett und sagte, er würde mich ziehen lassen, wenn ich versprechen würde, so etwas nie wieder zu tun. Das bedeutete, dass ich den Rest meiner Jugend neidvoll zusehen musste, wie meine Freunde mit Einkaufstaschen, prall gefüllt mit Diebesgut, aus der Stadt kamen: Ohrringe, Lippenstifte, Glitzernagellack, sogar Elektrokabel und Schrauben aus einer Eisenwarenhandlung. Emily war diejenige, die das Kabel und die Schrauben geklaut hatte, für sie ging es in erster Linie um den Rausch, während Adrienne Quigley auf Bestellung klaute. Ich war grün vor Neid angesichts ihres Muts (und der vielen Sachen, für die sie nicht bezahlt hatten), aber ich wusste mit Sicherheit, dass ich geschnappt werden würde, wenn ich es wieder versuchte – und dann würde ich alle anderen mit reinreißen. Es hat irgendwie mit mir zu tun; jede meiner Schwestern würde ungeschoren davonkommen: Claire war frech, Rachel war lustig, Anna lebte im Reich der Feen, und Helen
war furchtlos. Aber ich – ich musste artig sein, nur so kam ich durchs Leben.
Kirstys Ankunft machte meinen Gedanken ein Ende, und ehrlich gesagt sah sie Nicole Kidman tatsächlich etwas ähnlich mit ihren erdbeerblonden Ringellocken und ihrer alabasterweißen Haut. (Außerdem war sie dünn wie eine Bohnenstange, aber das hätte man sich gleich denken können.)
Kirsty war sprudelnd und lebhaft, und ich verstand Emilys Abneigung nicht – doch schließlich kam der Kellner, und sie ließ ihn alle Sorten Mineralwasser, die sie führten, aufzählen.
Dann bot ich ihr von den japanischen Crackern an. Es hätte nicht viel gefehlt, und sie hätte sich geschüttelt.
»Die haben nur vier Kalorien pro Stück«, sagte Emily, »hat der Kellner gesagt.«
Kirsty sah mit hochgezogenen Augenbrauen von einer zur anderen. »Die stehen hier doch schon Ewigkeiten rum, und jeder hat seine Pfoten reingesteckt. Wenn ihr die Bazillen von anderen essen wollt, bitte!«
Sofort waren wir alle bedrückt, ja, beschämt, und keine von uns nahm mehr von den Crackern, und als der Kellner sie schließlich abräumte,
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