Auszeit für Engel: Roman (German Edition)
andere sich von schrecklichen Ereignissen erholten. Zum Beispiel Claire, deren Mann sie an genau dem Tag, als sie ihr erstes Kind bekam, verließ. Sie war darüber hinweggekommen. Andere Menschen heirateten und ließen sich scheiden und kamen darüber hinweg und heirateten noch einmal und sprachen ruhig und gelassen von »meinem ersten Mann«. Sie klangen so, als hätten sie nicht einen Augenblick auch nur den leisesten Anflug von Schmerz verspürt in der Zeit zwischen damals, als er einer der wichtigsten Menschen in ihrem Leben war, und jetzt, wo er kaum mehr als ein Statist in ihrem früheren
Leben war. Die Menschen gewöhnten sich daran und lebten ihr Leben. Doch als ich mich in der Dunkelheit zu einem Ball zusammenrollte, hatte ich die schlimme Befürchtung, dass ich das nicht konnte. Dass ich nicht vom Fleck kommen würde und dabei nur älter und wunderlicher werden würde. Ich würde mir die Haare nicht mehr färben und wieder zu meinen alten Eltern ziehen und sie versorgen, bis ich selbst alt war. Niemand in der Straße würde mit uns sprechen, und wenn die Kinder an Halloween zu unserem Haus kamen, täten wir so, als wären wir nicht zu Hause. Oder wir würden Eimer mit kaltem Wasser aus dem ersten Stock über ihre Masken und Lakengewänder kippen. Wir hätten ein Auto, das zwanzig Jahre alt und auf Hochglanz poliert war, und wenn wir einen Ausflug machten, würden wir Hüte aufsetzen – und Dad würde darauf bestehen zu fahren, obwohl er so sehr geschrumpft war, dass die anderen Autofahrer nur noch seinen Hut über dem Lenkrad sehen konnten. Die Leute würden sich über mich unterhalten: »Früher war sie verheiratet. Da soll sie ganz normal gewesen sein. Kann man sich jetzt kaum vorstellen.«
Das Telefon klingelte wieder und holte mich abrupt in die Gegenwart zurück. Diesmal war es Emilys Agent. Also, natürlich nicht David Crowe persönlich, sondern einer seiner Sklaven, der mit ihr eine Lunch-Verabredung arrangieren sollte.
Endlich kam Emily aus dem Bad. »Kein einziges Haar mehr dran. Und wo ist die Telefonnummer?«
Ich gab ihr das Blatt, und sie küsste es. »Manch einer würde auch vor einem Mord nicht zurückschrecken, um Mort Russells Durchwahl zu bekommen.«
Sie wählte die Nummer, kam gleich durch, lachte und sagte immer wieder: »Danke, und ich bewundere Ihre Arbeit.«
Dann legte sie auf und sagte: »Rate mal, was er gesagt hat.«
»Er ist voller aufrichtiger Bewunderung für dein Drehbuch?«
»Genau.« Erst dann bemerkte sie mich richtig.
»Ach, Herzchen«, sagte sie traurig.
»Es hat noch jemand angerufen«, sagte ich. »Das Büro von David Crowe. Ob du um ein Uhr im Club House sein kannst, zum Lunch.«
»Im Club House?« Sie krallte sich an mir fest, als wäre etwas Schreckliches passiert. »Hat er Club House gesagt?«
»Es war eine Frau, aber ja, das hat sie gesagt. Was ist?«
»Ich erklär es dir«, rief sie, rannte aus dem Zimmer und war im nächsten Moment mit einem Buch zurück. Sie blätterte darin und las dann: »›Club House. Das Lunchlokal der Machtelite, wo die Mächtigen Hollywoods das Brot brechen und Deals aushandeln. Gute Steaks, Salate …‹ Das ist unwichtig … aber du hast gehört, was hier steht. ›Das Lunchlokal der Machtelite.‹ Und da gehe ich hin!«
Und dann brach sie in Tränen aus, so wie an dem Tag, als sie erfuhr, dass Hothouse an ihrem Skript interessiert war. Als die Tränenflut verebbte, sagte sie, für mich völlig überraschend: »Möchtest du mitkommen?«
»Das geht doch nicht, es ist ein Geschäftstermin.«
»Na und? Möchtest du mitkommen?«
»Ja, gern. Aber wird er nicht etwas dagegen haben, dass du mich mitbringst?«
»Natürlich nicht! Das sind die Flitterwochen, da können sie mir nichts abschlagen. Das sollten wir ruhig ausnutzen. Beim letzten Mal war ich zu naiv. Wir sagen, du bist meine Assistentin.«
»Meinst du nicht, er findet es komisch, dass ich kaum etwas über Hollywood weiß?«
»Stell am besten keine Fragen. Lach einfach viel und nicke. Komm doch bitte.«
»Also gut.«
Nach einem weiteren Telefongespräch stand die Verabredung.
Das Wetter war umgeschlagen. Statt vom blauen Himmel zu strahlen, schien die Sonne durch dicke Wolken und tauchte die Welt in ein schmutziges Senfgelb. Meine ersten fünf Tage in L. A. schienen wie verzaubert im Vergleich dazu. Nicht nur war das Wetter freundlich gewesen, sondern auch mein seelischer Zustand. Ich hatte zwar geglaubt, ich sei unglücklich gewesen, aber jetzt stürzte
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