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Auszeit

Auszeit

Titel: Auszeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco von Münchhausen
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Luxusgeschäft betritt? Selbst wenn Bedienung und sonstige Kunden versuchen werden, es sich nicht anmerken zu lassen, geringschätzige Blicke und Naserümpfen wird es gewiss geben, und später wird große Erleichterung herrschen, wenn derjenige wieder verschwunden ist, der hier »erkennbar fehl am Platze« war. Ebenso mag es manchem Gastgeber peinlich sein, wenn einer seiner eingeladenen Gäste äußerlich qualitativ aus der Rolle fällt. Mit anderen Worten: Auch bei uns müssen in vielen Szenen die äußeren Attribute stimmen, sonst fällt man bei der ersten Begutachtung unten durch, egal welche inneren Werte man auch haben mag. So wenig bescheidene, einfache Sachen auf die wirkliche Kapazität und Persönlichkeit eines Menschen Rückschlüsse erlauben, so wenig kann man auch von den edelsten Statussymbolen auf den Wert und inneren Reichtum eines Menschen schließen. Bei einer Hochzeit in High-Society-Kreisen sagte einst ein Pfarrer: »Wenn ich mich hier in der Kirche so umschaue, muss ich Ihnen ehrlicherweise sagen: Wenn Ihr Inneres auch nur annähernd so glänzt wie Ihre Kleidung, dann können Sie sich glücklich schätzen, ansonsten hängen Sie all das schicke Zeug schnell wieder in den Schrank und machen sich daran, Ihr Seelenleben zu polieren.«
    Natürlich kann einem das auch in umgekehrter Weise begegnen: Wer sich mit einem Dreiteiler oder Edelkostüm in die Alternativ- oder Jugendszene begibt, wird häufig auch nichts zu lachen haben. Jedes Milieu hat nun mal seinen Dresscode. Und die meisten Leute investieren viel Energie, dagegen nicht zu verstoßen, |83| zu groß ist die Angst vor Ablehnung, Verurteilung oder gar Verspottung. So weit zu dem, was einem widerfahren kann, wenn die Äußerlichkeiten nicht stimmen. Doch interessanterweise läuft in uns selbst oft Ähnliches ab. Wie schnell beurteilen wir andere Menschen aufgrund bloßer äußerer Kriterien? Und wie fühle ich mich selbst, wenn ich merke, dass ich kleidungsmäßig aus der Rolle falle oder den vermeintlichen Erwartungen eines bestimmten Milieus nicht genüge?
    All dies sind zunächst ganz normale Mechanismen. Da wir in der Regel als erstes mit dem äußeren Erscheinungsbild eines Menschen konfrontiert sind, wird automatisch unser inneres Bewertungssystem ein sofortiges erstes Urteil fällen. Ein Automatismus des Gehirns, der in anderen Konstellationen überlebenswichtig sein kann, wenn es zum Beispiel darum geht, blitzschnell Freund und Feind zu unterscheiden. Gewissermaßen muss man eingestehen: Wir können gar nicht anders, als ständig zu bewerten. Und das Äußere ist nun mal der erste Orientierungspunkt. Das ist ein Automatismus, an dem sich wenig ändern lässt. Worauf wir aber Einfluss haben und was wir tun können, um nicht zu Vollstreckern unserer Vorurteile zu werden, ist:
Wir können lernen, bewusst wahrzunehmen, dass wir dabei sind zu bewerten und möglicherweise gleichzeitig jemanden (oder uns selbst) aufgrund von Äußerlichkeiten geringschätzig beurteilen.
Wir können unseren Bewertungsmaßstab überprüfen und hinterfragen, warum wir aufgrund bestimmter äußerer Merkmale jemanden schnell »durchfallen« lassen.
Wir können uns selbst beobachten, wie sehr wir vom Wettlauf mit der Mode und dem Mithalten mit allen gesellschaftlichen Comme-il-faults in Stress geraten und was wir davon eigentlich wirklich wollen.
    Dabei geht es auch nicht darum, ins andere Extrem zu verfallen |84| und »auszusteigen« oder eine Anti-Haltung einzunehmen. Es geht um Flexibilität und Experimentierfreude und darum, das eigene Maß herauszufinden zwischen wirklich gewolltem und unvermeidlichem Outfit, zwischen Einfachheit und Freude an Schönem und letztlich zwischen Innerlichkeit und Äußerlichkeit.

    Fragen zum Nachdenken
Wie oft habe ich schon erfahren, aufgrund von Äußerlichkeiten bewertet worden zu sein, und habe versucht, mich den Erwartungen anzupassen?
Wonach beurteile ich Menschen beim ersten Kontakt?
Was möchte ich an meinen Investitionen in Statussymbole und Outfit eigentlich am liebsten ändern?

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|85| Reichtum
    Für die meisten Menschen ist ein gewisser materieller, äußerer Reichtum Voraussetzung für ein »menschenwürdiges« Dasein. Wenn das die Not wendende Notwendigste fehlt, ist es schwer, erfüllt und glücklich zu leben. (In diesem Sinne hatte Bertolt Brecht wohl Recht mit seinem Satz: »Erst kommt das Fressen, dann die Moral.«) Insofern ist eine gewisse finanzielle Absicherung Voraussetzung für

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