Auszeit
die sie eigentlich gar nicht wollen, oder andere Sachen unterlassen, die sie eigentlich tun wollen – in der Regel aus der Angst heraus, Liebe, Zuneigung oder sonstige Vorteile zu verlieren. Doch verändern sie dabei allenfalls ihr äußeres Verhalten und nicht sich selbst.
Was wir dagegen verändern können, ist unsere Einstellung anderen gegenüber und unseren Umgang mit ihnen . Grundsätzlich ist auch dabei der erste Schritt, die anderen so anzunehmen, wie sie sind, mit all ihren Ecken und Kanten, mögen wir noch so sehr darunter leiden. Wenn es unerträglich wird, bleibt schlimmstenfalls nur noch der Rückzug. Niemand kann einen zwingen, negative Verhaltensweisen oder Beeinträchtigungen der eigenen Integrität hinzunehmen. Und selbst wenn man den Rückzug wählt, ist es möglich (wenn auch nicht leicht), dies ohne Verurteilung des anderen zu tun. Man kann Verhaltensweisen ablehnen, ohne den Menschen ablehnen zu müssen. Wenn wir also andere schon nicht ändern können, so doch wenigstens unseren Umgang mit ihnen.
Aber die Welt können wir doch verändern! – wenn auch in anderer Weise, als es der Sufi in der obigen Geschichte meinte. Wir können sie weder revolutionieren noch grundlegend ändern, doch können wir im Kleinen, in unserem persönlichen Wirkungskreis dazu beitragen, dass manche Dinge besser werden. Und sei es nur, indem man eine weggeworfene Cola-Dose von der Straße aufhebt, einer alten Frau den Koffer trägt oder jemandem ein Lächeln schenkt. Natürlich können wir uns auch stärker engagieren und mit unserem Beruf, durch politische oder soziale Aktivitäten oder indem man seine Kinder bestmöglich fördert dazu beitragen, dass manches besser wird. Die Welt im Kleinen zu verändern kann unseren Leben Sinn geben, sodass wir am |76| Ende nicht wie der alte Mann sagen müssen, unser Leben war »vertan«.
Schließlich müssen wir mit dem zweiten und dritten Schritt auch nicht warten, bis wir uns selbst ausreichend verändert haben, denn das ist ein lebenslanger Prozess. Vielmehr können wir sofort damit anfangen, unsere Einstellung anderen gegenüber und den Umgang mit ihnen zu ändern, und gleichzeitig dazu beitragen, dass manches auf dieser Erde ein wenig besser wird.
Fragen zum Nachdenken
Welche Seiten an mir würde ich gerne verändern? Wie könnte ich es schaffen, diese zunächst einmal anzunehmen? Gibt es auch positive Begleitaspekte dieser Seiten?
Wie kann ich meine Einstellung zu anderen und den Umgang mit ihnen in den Punkten verändern, wo ich eigentlich lieber die anderen verändern möchte?
Auf welche Weise kann ich dazu beitragen, dass die Welt etwas besser wird, und sei es auch nur im Kleinen?
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|77| Berufung
Die eigene Bestimmung zu finden und sein Potenzial zu entfalten, sind wohl Grundvoraussetzungen für ein erfülltes und glückliches Leben. Dabei gilt es zum einen, die eigene Berufung zu erkennen, und zum anderen, dieser gegen alle Widerstände von außen und innen Raum zu geben und sie zu entfalten. Dabei kann es einem ergehen wie der Libelle in der folgenden Geschichte:
Eine Libellenlarve, die in einem Tümpel lebte, verspürte den unwiderstehlichen Drang nach oben, um neue Luft zu schöpfen. Dabei wurde sie von einem Blutegel des Öfteren beobachtet, der ihr eines Tages deswegen Vorwürfe machte:
»Habe ich vielleicht jemals das Bedürfnis nach dem, was du Himmelsluft nennst?«
»Ach«, erwiderte die Libellenlarve, »ich habe nun einmal diese Sehnsucht. Ich habe sogar schon versucht, an der Wasseroberfläche nach dem zu schauen, was darüber ist. Da sah ich einen hellen Schein, und merkwürdige Schattengestalten huschten über mich hinweg.«
Der Blutegel krümmte sich vor Lachen:
»Du bist verrückt, du meinst tatsächlich, über diesem Gewässer gibt es noch etwas? Glaube mir als einem erfahrenen Mann: Ich habe den ganzen Raum wieder und |78| wieder durchschwommen. Das hier ist die Welt. Es gibt nichts außerhalb.«
»Aber ich habe doch den Lichtschein gesehen und den Schatten«, verteidigte sich die Libellenlarve.
»Hirngespinste! Was du fühlen und betasten kannst, das ist das Wirkliche«, antwortete der Blutegel.
Aber es dauerte nicht lange, da erhob sich die Libellenlarve aus dem Wasser, es wuchsen ihr Flügel, und sie schwebte schimmernd dem kleinen Tümpel davon, von goldenem Sonnenlicht umspült.
Sie ward von dem Blutegel nie mehr gesehen.
Wenn es darum geht, der eigenen Berufung zu folgen, sind zwei Aspekte von besonderer
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