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Ausziehen!

Ausziehen!

Titel: Ausziehen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois Greimann
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hast du mich denn nicht angerufen? Wo warst du? Ich wäre doch sofort da gewesen. Hast du die Bullen geholt?«
    Der Gedanke an die Polizei brachte eine neue Woge des Selbstmitleids ins Rollen. Ich wusste nicht mal genau, warum. Vielleicht war ich als Mädchen aus dem mittleren Westen der USA einfach immer noch so naiv zu glauben, dass sie mich hätten beschützen sollen.
    »Du musst - o nein!«, rief Elaine. »Das war doch nicht dieser dunkle Typ, der Lieutenant, oder?«
    Ich schüttelte den Kopf und atmete langsam aus. Ich zitterte am ganzen Leib, kam mir dabei jedoch gleichzeitig ziemlich dumm vor. »Ich war in einer Bar.«
    »Mit wem?« Sie baute sich wie eine Boxerin vor mir auf. »Sag mir seinen Namen. Der Kerl wird sich noch wünschen, niemals geboren worden zu sein!«
    Es ist durchaus möglich, dass ich wirklich gelacht habe, aber das Geräusch, das da aus mir herauskam, klang grauenhaft. »Mir geht es gut.«
    »Nein, Süße, dir geht es ganz und gar nicht gut«, widersprach sie und ließ sich im Schneidersitz auf dem Boden nieder. »Dir geht es echt dreckig. Also, was ist passiert?«
    Ich erzählte ihr die Kurzversion. Die war erfreulicher und außerdem kürzer als die lange.
    Sie schüttelte den Kopf und nahm meine Hand, als ich damit fertig war. »Du musst zur Polizei gehen!«
    Ich glaube, ich bin zusammengezuckt. Nach den Erlebnissen der letzten Tage hatte ich mehr als genug vom LAPD. »Und was soll ich denen erzählen? Dass sich ein Kerl auf mich gestürzt hat, den ich nicht einmal gesehen habe, geschweige denn identifizieren könnte, und wahrscheinlich noch nie zuvor getroffen habe?«
    »Du musst doch irgendeine Ahnung haben, wie der Typ ausgesehen hat!«
    Ich schüttelte den Kopf. Selbst das tat weh. »Er war …« Ich atmete tief ein. »So nah. Und es war dunkel. Ich konnte nicht …«
    »Du solltest besser nach Hause gehen.«
    »Ich habe Termine. Oder?«
    »Die kann ich absagen.«
    »Nein.« Ich richtete mich auf. Mann, ich war echt taff. »Mir geht es gut.«
    »Chrissy -« »Ich will nicht nach Hause«, sagte ich, und das war die Wahrheit. Sie musste es in meinem Gesichtsausdruck gelesen haben, denn schließlich kramte sie ihr überdimensionales Schminktäschchen hervor, deckte meine Blutergüsse so gut wie möglich ab und schickte die Patienten nacheinander herein.
    Den Problemen anderer Leute zuzuhören, erwies sich sogar als relativ therapeutisch. Vielleicht hätte ich ihnen anbieten sollen, sie dafür zu bezahlen. Diesen Vorschlag behielt ich jedoch lieber für mich.
    Elaine bestand darauf, trotz ihres Yoga-Kurses bis zum Ende der Sitzungen hierzubleiben, aber schließlich konnte ich sie doch noch überzeugen zu gehen. Man hatte diese Woche zweimal versucht, mich zu vergewaltigen. Wie groß war wohl die statistische Wahrscheinlichkeit, dass es noch ein drittes Mal passieren würde? Vermutlich astronomisch gering.
    Mr. Lepinski kam pünktlich zur Sitzung. Er machte einen nervösen Eindruck, als er sich an seinem gewohnten Platz auf der Couch niederließ. Er drängte sich an das rechte Polsterkissen, presste die knochigen Knie fest aneinander und verkrallte die Finger.
    »Ich kann es nicht fassen, dass der Bomber tot ist.« Er schüttelte den Kopf und starrte mich mit großen Augen durch seine dicken, runden Brillengläser an. »Was ist denn passiert?« Seine Barthaare zuckten. »Ich hab gehört, er ist an einer Überdosis gestorben?«
    »Ja.« Ich fühlte mich uralt und ausgelaugt. »Das ist wirklich eine schreckliche Tragödie.« Aber meine Fähigkeit zu lügen wurde immer besser.
    Mr. Lepinski ging um 19 Uhr 56. Nach der Sitzung hatte ich das Bedürfnis, meinen Kopf auf den Schreibtisch knallen zu lassen. Ich hörte, wie Lepinski auf dem Weg zur Tür Selbstgespräche führte, aber das konnte ich ihm wirklich nicht zum Vorwurf machen. Da gab es wahrlich Schlimmeres.
    »Langen Tag gehabt?«
    Fast hätte ich geschrien, als ich zusammenschreckte. Diese verdammte Statistik! Das Schicksal hatte es offenbar wirklich auf mich abgesehen!
    Lieutenant Rivera stand im Türrahmen, die Stirn bedenklich in Falten gelegt. »Was ist passiert?«
    Mit einem Schlag fühlte ich mich schuldig, als hätte ich etwas Schlimmes verbrochen. Als hätte ich nicht in diese Bar gehen sollen, in diesem Stadtviertel, mit diesen Leuten. Als wäre es mein Fehler gewesen, dass man mich überfallen hatte. Ich sollte meinen Kopf dringend mal untersuchen lassen.
    »Wovon reden Sie?«, fragte ich und war heilfroh, dass Elaine mich nie

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