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Autobiografie einer Pflaume - Roman

Titel: Autobiografie einer Pflaume - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Dame hat gesagt: ‹Rühr dich nicht vom Fleck, mein Kind, ich hole die Polizei›, und ich bin am Fenster geblieben, bis die Gendarmen kamen und die Tür eingetreten haben, und die Dame ist mit ihrem Hund reingekommen, und ich habe die ganze Zeit geweint.»
     
     
    Ich habe meinen Kopf auf den Bauch von Camille gelegt und habe den Himmel betrachtet, der ganz blau war, ohne eine Wolke, ohne den lieben Gott im Versteck hinter den Wolken, ohne irgendwen, weder Mama noch Papa. Ich dachte mir, dass wir allein auf der Welt sind. Und ich habe gespürt, wie Camille mir mit der Hand das Gesicht gestreichelt hat und wie ihre Finger mein Muttermal betastet haben.
    «Dieser schwarze Pickel sieht hübsch aus», sagt Camille.«Du hast sicher ein Geheimnis darin versteckt.»
    Und sie drückt drauf, um mein Geheimnis herauszubekommen, und ich schaue sie an, und sie bückt sich, um mich auf den Mund zu küssen.
    «So machen sie es im Fernsehen.»
    Camille würde ich für mein Leben gern heiraten, aber im Film sind die Leute, die sich lieben, immer schrecklich alt.
    «Glaubst du, dass es etwas Schlechtes ist?», frage ich.
    «Was?»
    «Glaubst du, dass es etwas Schlechtes ist, wenn man sich auf den Mund küsst?»
    «Weiß ich nicht», antwortet Camille.
    «Woran denkst du?», frage ich.
    «An nichts», sagt Camille ganz nah an meinen Lippen, und dann streckt sie ihre Zunge raus, und ich mache den Mund ganz weit auf und weiß nicht weiter.
    «Du musst die Zunge rausstrecken und damit nach meiner
Zunge suchen, als wolltest du sie fangen. So hat Mama es mit dem Monsieur gemacht.»
    Und ich suche mit meiner Zunge nach ihrer, und mir ist ganz komisch, und mir wird irre warm.
    «Ist dir nicht warm?», frage ich Camille.
    Und wir müssen lachen, ohne zu wissen, warum.
    Camille hat lauter Grashalme im Haar und sieht aus wie die Fee Clochette.
    Ich sehe nichts mehr vom Himmel, sondern nur ihr Gesicht über meinem und ihren lachenden Mund, und ich kitzle Camille, und sie kitzelt mich, und wir lachen noch mehr und wälzen uns im Gras, und ich war noch nie so glücklich, nicht einmal wenn Mama ihr cooles Kartoffelpüree gemacht hat.
    Dann stehen wir auf und gehen, ohne zu wissen wohin, Hand in Hand und den Blick zu dem Blau vom Himmel gerichtet.
    «Und hast du deinen Papa und deine Mama wiedergesehen?», frage ich Camille, weil am Himmel eine kleine Wolke aufgetaucht ist.
    «Nö, sie waren ja tot.»
    Und ihre Hand drückt meine ganz fest.

Ich frage Rosy:«Was heißt impotent?», und Rosy bleibt der Mund offen stehen mit dem Kuchen drin.
    Alle sind in die große Stadt gefahren, zum Naturkundemuseum in La Boulette oder so ähnlich, nur Ahmed, Camille und ich nicht.
    «Wo hast du das her?», regt Rosy sich auf.
    «Aufgeschnappt.»
    «Und von wem, du kleiner Schlaumeier?», bohrt Rosy nach.

    Weil ich Camille nicht verpetzen will, antworte ich:«Von Ahmed», und ich nehme mir vor, ihm nachher einzuschärfen, dass er besser die Klappe hält.
    «Na, den werde ich mir später vorknöpfen. Impotent ist ein Fremdwort, aus dem Lateinischen, und es bedeutet machtlos oder ohnmächtig. Ich erkläre es dir mit einem Beispiel: Wenn ihr spielt und dabei zu viel Krach macht, könnt ihr mich nicht hören, wenn ich sagen will, dass ihr weniger Krach machen sollt, und dann bin ich machtlos oder ohnmächtig, auf Lateinisch impotent. Verstehst du?»
    «Nö. Was hat das denn mit dem Papa von Ca… äh, mit dem Papa von Ahmed zu tun?»
    «Jedenfalls ist es ein hässliches Wort, das du nie wieder in den Mund nehmen sollst.»
    «Und warum gibst du mir so eine bescheuerte Erklärung dafür, die man gar nicht verstehen kann?»
    «Möchtest du noch Tee?»
    Und ich denke an Antoine, wenn er sagt:«Gar nicht erst ignorieren», und ich halte den Mund.
    Ich hätte sowieso besser die Brüder Chafouin gefragt. Mit ihrem Wörterbuchspiel hätten sie sicher Bescheid gewusst.
    Ich schaue das Regal über Rosys kleinem Bett an; es gibt nur Bücher darauf, keine Comics.
    Ich nehme eines in die Hand. Es heißt Die Geburt von Jalna , und innendrin sind nur Wörter. Kein einziges Bild. Auf dem Umschlag sieht man ein Mädchen in einem grünen Pullover und mit den Haaren im Gesicht wie bei Alice, und hinter dem Mädchen ein Auto wie in den alten Filmen.
    «So ein Quatsch», sage ich und werfe das Buch aufs Bett.
    «Nein, das ist kein Quatsch, sondern ein schönes Buch, und wenn du groß bist, werde ich es dir zum Lesen leihen.»
    «Ich werde nie groß sein, und dein schönes Buch, das du

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