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Autobiografie einer Pflaume - Roman

Titel: Autobiografie einer Pflaume - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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denn bei so einer Mutter ist das nicht anders zu erwarten, nicht wahr, Madame Colette?› Und jedes Mal gewinnt sie, das kann ich in den Augen der anderen sehen, wenn sie zu mir sagen: ‹Camille, du musst zugeben, dass du ein bisschen übertreibst, und außerdem hat deine Tante dich sehr lieb.› Ich hasse sie alle!»
    «Camille, ich habe eine Idee.»
    Und ich erzähle ihr meine Sioux-Kriegslist.
    «Glaubst du, dass es klappt?»
    «Klar, wenn du die Knöpfe nicht verwechselst.»
     
     
    Und wir erzählen uns im Flur unsere Geheimnisse, als Ahmed mit seinem Papa aus dem Büro von Madame Colette kommt.
    Wir verstecken uns schnell hinter einer Tür und hören die Stimme von Madame Colette:«Machen Sie sich keine Gedanken, Monsieur Bouradjah, das ist normal, Ahmed war zwei Jahre alt, als er Sie zum letzten Mal gesehen hat.»
    Ich trete einen Schritt vor und sehe Ahmed, der sich nicht von seinem Papa in die Arme nehmen lassen will. Er sieht mich, und ich lege einen Finger auf den Mund, und Ahmed lächelt, und ich forme die Worte«Ist nicht schlimm»mit den Lippen, und Ahmed formt mit seinen das Wort«Doch», und Madame Colette, die Ahmed angeschaut hat, dreht sich um.
    «Icare! Was hast du hier zu suchen, noch dazu hinter einer Tür versteckt?»

    Camille und ich gehen ihr Hand in Hand entgegen.
    «So, so, Camille, du bist auch dabei! In mein Büro mit euch beiden, ich komme gleich nach. Entschuldigen Sie mich, Monsieur Bouradjah, ich begleite Sie noch zur Tür, wenn Sie wollen. »
    Der Papa von Ahmed antwortet:«Ja», und er schaut mich an und sieht überhaupt nicht wie ein Bösewicht aus. Er kaut nicht Kaugummi wie die Bösewichter in den Filmen, und er ist glatt rasiert, und Kraftausdrücke habe ich auch keine gehört: Ich sehe nichts als den netten Kopf eines traurigen Papas.
     
     
    «Was habt ihr hinter der Tür angestellt, Kinder?»
    Ich habe die Psychologin nicht hereinkommen sehen und fahre zusammen.
    «Nichts Schlimmes», sage ich und knete das Herz aus Knetgummi fertig, das ich Camille überreiche.
    Ich denke mir, dass Madame Colette darin nichts weiter sehen wird als eine«wunderschöne Kugel».
    «So, so, Pflaume, wir schenken Camille unser Herz?»
    «Na ja, aber ist es nicht eine wunderschöne Kugel?»
    Und ich schaue sie an, als wäre sie völlig bescheuert.
    «Wir haben uns hinter der Tür versteckt», sagt Camille,«weil wir gesehen haben, wie Sie mit Ahmed und seinem Papa rauskamen, und weil wir nicht wollten, dass Sie uns ausschimpfen.»
    «Und warum habt ihr gedacht, ich würde mit euch schimpfen? »
    «Weil wir Kinder sind», antwortet Camille.
    «Wie war es mit deiner Tante?»
    «Ach, das. Na ja, wie immer, nett wie immer, die alte Kuh.»
    «So etwas darf man nicht sagen, Camille. Auch für sie ist es nicht leicht, weißt du.»
    «Das glaubst du! Du glaubst wirklich jedem Idioten jeden Blödsinn!»

    «Gut, Icare, du gehst jetzt bitte. Ich muss mit Camille sprechen. »
    «Nein, ich will nicht gehen, ich will bei Camille bleiben.»
    «Icare, muss ich etwa nachhelfen?»
    «Okay.»
    Ich schaue Camille an und forme mit den Lippen das Wort«alte Kuh», und ich gehe raus, ohne die Tür hinter mir zuzumachen, und ich höre die Stimme von Madame Colette, die ruft:«Tür zu!», und ich stelle mich taub und laufe, bis ich in meinem Zimmer bin.
     
     
    Ahmed liegt unter der Decke, und außer einem Zipfel vom Ohr des Schlafhasen ist nichts zu sehen.
    «Bist du tot?», frage ich und lüpfe die Decke und sehe sein kleines Gesicht an den Stoffhasen geschmiegt und in Tränen aufgelöst.
    Ahmed sagt irgendwas mit dem Daumen im Mund, und ich verstehe kein Wort, und deshalb setze ich mich auf sein Bett und nehme ihm den Daumen aus dem Mund und sage:«Sag es noch mal.»
    «Das ist nicht mein Papa.»
    Und eine Tonne Tränen schießt ihm aus den Augen.
    «Wieso soll das nicht dein Papa sein?»
    «Mein Papa hat einen Bart und ganz lange Haare.»
    «Bist du vielleicht blöd, das hat er alles abgeschnitten! Im Knast geht es superstreng zu. Das habe ich in einem Film gesehen. Dem Bösewicht wurde mit einem Apparat der Kopf rasiert, und hinterher haben sie ihn in eine Zelle gesperrt und ihm einen Teller Brei durch ein Loch in die Zelle geschoben.»
    «Das weiß ich nicht. Als ich klein war, habe ich mit seinem Bart und mit seinen Haaren gespielt.»
    «Da hast du es aber gut, dass du dich an so was erinnern kannst. Ich habe keine Erinnerung an meinen Papa. Aber
wenn ich ihn zu sehen bekäme, würde ich ihn sofort erkennen,

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