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Autobiografie einer Pflaume - Roman

Titel: Autobiografie einer Pflaume - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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ihn fest, und der Schuss geht los, und ich töte sie ein zweites Mal.
    «Ich habe meine Mama auch umgebracht.»
    «Ja, ich weiß. Simon hat es mir gesagt.»
    «Was der immer alles weiß!»
    Mehr sage ich nicht. Ich warte. Ich darf Camille mit meinen Fragen nicht wehtun. Manchmal tun Fragen weh.
    Und Camille spricht mit dem Himmel.
    «Mama war Schneiderin. Sie hat zu Hause gearbeitet, und die Leute haben bei uns geklingelt und ihr Hemd, ihre Socken, ihre Vorhänge, ihre Hose oder große Stoffstücke mitgebracht,
die sich unter ihren Fingern in Tischtücher oder in Kleider verwandelt haben. Wenn ich morgens in die Schule ging, saß sie schon über die Nähmaschine gebeugt und hat mir eine Kusshand zugeworfen, und wenn ich nach Hause kam, saß sie immer noch an der Maschine, ihre Finger flitzten über den Stoff, die Nähmaschine surrte, und neben ihr war der leere Korb. Ich setzte mich auf ihre Knie, sie fuhr sich mit der Hand über die Stirn, und dann sagte sie zu mir: ‹Geh du essen, Mama muss noch arbeiten›, und die Arbeit nahm nie ein Ende. Abends klingelten die Leute immer noch an der Tür, aber diesmal mit leeren Händen. Einmal habe ich Mama abends, bevor ich ins Bett ging, gefragt, was diese Messieurs zum Nähen brachten, die immer mit leeren Händen kamen, und sie hat geantwortet und dabei gelächelt: ‹Ihr Herz, mein Schätzchen.› Wenn es klingelte, durfte ich nicht mehr aus dem Zimmer gehen, aber ich habe es heimlich getan, und Mama hat mich nie dabei erwischt, wenn ich zugesehen habe, wie sie den Messieurs das Herz geflickt hat. Sie hat das nicht mit Nadel und Fingerhut oder mit der Nähmaschine gemacht, sondern nur mit ihrer Zunge.»
    «Und wo war dein Papa?»
    «Er war nie da. Wenn der an der Tür geklingelt hat, war er immer in Eile. Er hat Mama seine schmutzigeWäsche gebracht, sich ein paar hinter die Binde gekippt, hat mir einen Kuss auf die Stirn gedrückt, was mir nicht gefallen hat, weil er nicht gut roch, und dann haben er und Mama sich angeschrien, bevor er die Tür zugeknallt hat. Manchmal hat er Mama angerufen, um am Telefon mit ihr zu streiten. Ich habe Mama sagen hören: ‹So ein Leben mutet man keinem Hund zu› und: ‹Du hast schon wieder getrunken, ich halte das nicht mehr aus› oder: ‹Das ganze Geld geht für diesen Blödsinn drauf› oder: ‹Und die Rechnungen, wer zahlt die?›. Einmal hat Papa mich gefragt, was Mama abends tut, und ich habe gesagt, dass sie mit der Zunge
den Männern das Herz flickt, und da hat er aufgelegt. Ich konnte ihm nicht einmal auf Wiedersehen sagen oder ihm Mama geben. Am nächsten Abend hat er an der Tür geklingelt, und Mama hat gerufen: ‹Was willst du denn hier?›, und der Monsieur, der sich hinter Mama versteckt hatte, sagte: ‹Tja, ich gehe vielleicht besser›, und Papa hat ihm dabei geholfen und seine Kleider aus dem Fenster geworfen. Danach haben Papa und Mama sehr laut gestritten, und ich habe geweint, aber das hat niemanden interessiert, und ich habe an Papas Jacke gezogen, und Papa hat sich umgedreht und mich angeschrien, dass ich ins Bett gehen soll, und ich habe Angst bekommen und habe so getan, als würde ich in mein Zimmer gehen, aber ich bin auf der Treppe hocken geblieben und habe gesehen, wie Papa den Whisky aus der Flasche getrunken hat, und Mama hat gesagt: ‹So ist es richtig, trink nur, das ist ja das Einzige, was du kannst.› Papa hat geschrien: ‹Du Schlampe, was soll das heißen?›, und Mama hat geschrien: ‹Schlampe? Mehr fällt dir nicht ein mit deinem schlaffen Schlauch, der zu nichts gut ist als zum Pinkeln? Hast du dich schon mal gefragt, wie ich die Rechnungen bezahle? Ich opfere mich auf, und du wagst es, mich Schlampe zu nennen! Du impotenter Nichtsnutz!› Und daraufhin hat Papa Mama mit der Faust geschlagen, und sie ist hingefallen, und ich habe geschrien, aber es hat niemanden interessiert. Papa hat Mama an den Haaren gezogen und hat sie mit Fußtritten nach draußen befördert, und dann hat er die Tür zugeknallt, und ich habe den Schlüssel im Schloss gehört und war eingesperrt.»
    «Was heißt impotent?»
    «Ich weiß nicht, aber etwas Nettes sicher nicht, sonst hätte Papa sich nicht so wahnsinnig aufgeregt.»
    «Warst du lange im Haus eingesperrt?»
    «Ja. Ich dachte, sie würden wiederkommen, ich habe zum Fenster rausgeschaut, aber nur die Dunkelheit gesehen, und
dann kam eine Dame mit ihrem Hund vorbei, und ich habe gerufen, dass ich eingesperrt bin und dass meine Eltern weggegangen sind, und die

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