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Autobiografie einer Pflaume - Roman

Titel: Autobiografie einer Pflaume - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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und sagt:«Meine liebe Dame, es ist Weihnachten.»
    Und das sagt er mit seiner besonders lauten Stimme, und die Hexe wird rot und sagt:«Gewiss doch, gewiss doch», und sie lässt Camille los, und Camille kommt zu mir gelaufen und klammert sich an mich.
    Monsieur Paul zwinkert mir zu, und seinem offenen Auge kann ich ansehen, dass die Hexe es sich mit ihm verscherzt hat.
    Sie sitzt ganz geknickt auf ihrem Stuhl und sieht aus, als wäre sie mindestens hundert Jahre alt, und das geschieht ihr ganz recht.

Heute Morgen hatte Ahmed nicht ins Bett gemacht, und Rosy war begeistert, dass sie das Bett nicht neu beziehen musste, und Ahmed auch, und er hat gelacht, und wenn er lacht, dann ist das schlimmer, als wenn er heult: Es klingt wie die Kreide, die auf der Tafel quietscht, dass einem die Ohren wehtun.
    Und deshalb haben Simon und ich das«Kopfkissenspiel»gespielt.
    Das geht so, dass wir den Kopf von Ahmed unter das Kissen halten, denn so hört man ihn nicht heulen und auch nicht lachen, aber in diesem Augenblick kamen Rosy und Madame Colette und lächelten, und Simon konnte gerade noch sagen:«Halt bloß die Klappe!»
    Rosy hat Ahmed angeschaut und nicht mehr gelächelt.«Ahmed, warum bist du so rot im Gesicht?»
    Dann hat sie uns angeschaut.«Was habt ihr schon wieder mit ihm angestellt?»
    Simon hat gesagt:«Nichts, Rosy, wir haben nur rumgealbert, und deshalb ist er so rot im Gesicht, stimmt’s, Ahmed?»
    Ahmed hat gesagt:«Ich bin nicht schuld, ich bin nicht schuld», und er hat zu heulen angefangen, und Rosy und Madame Colette haben zuerst die Zimmerdecke angeschaut, und dann haben sie Ahmed mitgenommen und sind weggegangen, wohin, weiß ich nicht.
     
     
    Simon sagt zu mir, dass der Papa von Ahmed aus dem Gefängnis entlassen wurde und Ahmed besuchen kommt, weil er Heimweh nach dem Knast hat.
    «Warum war der Papa von Ahmed im Gefängnis?», will ich wissen.
    «Weil er eine Bank überfallen und den Bankdirektor gekidnappt hat.»
    «Und was hat er hinterher damit angestellt?»
    «Mit dem Geld?»

    «Nein, mit dem Bankdirektor.»
    «Na, nichts, er wurde von einem Gendarmen verwundet, und der Bankdirektor ist abgehauen, und er ist festgenommen worden.»
    «Und warum ist der Bankdirektor abgehauen? Er hatte doch nichts angestellt.»
    «Manchmal tötest du einem mit deiner Fragerei echt den Nerv, Pflaume.»
     
     
    Ich wüsste gern, wie der Papa von Ahmed aussieht.
    Normalerweise haben die Bösewichter ganz fiese Visagen und ungewaschene Haare und sind unrasiert und kauen die ganze Zeit Kaugummi und werfen mit Kraftausdrücken um sich. Vielleicht war der Papa von Ahmed kein Bösewicht, sondern wollte nur Geld stehlen, weil seine Frau krank war, so wie in den Fernsehnachrichten.
    Aber wozu soll es gut sein, einen Bankdirektor zu stehlen?
     
     
    Nach dem Frühstück gehen Camille und ich im Wald spazieren. Es ist nicht leicht, zu zweit allein zu bleiben, weil Béatrice oder Alice immer mitkommen wollen, manchmal sogar die Jungen, und deshalb müssen wir so verschlagen sein wie die Sioux.
    Camille hat den Mädchen weisgemacht, sie würde im Büro von Madame Papineau Süßigkeiten holen, und ich habe Simon erzählt, ich würde Rosy besuchen.
    Camille trägt wie immer ihre Jeans und den grauen Pullover, der ihren Hals verschlingt. Sie hält meine Hand, und wir gehen mit den Beinen in der Mitte im Gleichschritt, und wir entfernen uns vom Heim, als hätten wir zusammen nur drei Beine.
    Und ich verliere das Gleichgewicht, und wir fallen beide hin.
    «Hast du dir wehgetan?», fragt mich Camille.

    «Nein. Und du?»
    «Nein.»
    Und wir bleiben liegen, auf dem Weg ausgestreckt, zwischen den Feldern und dem Fluss.
    «Ahmed ist mit seinem Papa zusammen», sage ich.
    «Was für ein Glückspilz!»
    «Sein Papa kommt aus dem Gefängnis. Er hat Geld und einen Bankdirektor gestohlen.»
    «Mein Papa wäre auch ins Gefängnis gekommen, hat der Richter zu mir gesagt, wenn er nicht in die Seine gesprungen wäre.»
    «Dein Papa ist in die Seine gesprungen?»
    Und ich stütze mich auf einen Ellbogen und sehe Camille an, die den Himmel ansieht und Blütenstaub in ihren langen Haaren hat.
    «Ja, nachdem er meine Mama umgebracht hatte.»
    Und da muss ich an das denken, was ich getan habe.
    An den Richter, der gesagt hat:«Der Junge ist ein schuldunfähiger Minderjähriger.»
    An Raymond:«So ein Revolver ist kein Spielzeug, mein Junge.»
    Und ich sehe wieder Mama vor mir, die mir den Revolver aus den Händen reißen will, aber ich halte

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