Autobiografie einer Pflaume - Roman
Tisch gelegt, und ich habe den Schüchternen markiert, und als sie gegangen ist, habe ich mich auf die Süßigkeiten gestürzt, als würde man sie mir sonst wegnehmen, und hinterher war mir
ein bisschen übel, und das hat gut zu der Erkältung und dem Fieber gepasst.
«Was hast du da für ein Buch?», frage ich Rosy und richte mich in den Kissen auf, die ein bisschen streng riechen, weil ich mich seit vorgestern nicht gewaschen habe.
«Es ist die Geschichte eines kleinen Tuaregjungen, der in der Wüste lebt.»
«Was ist ein Tuareg?»
«Die Tuareg sind ein Nomadenvolk, das in Afrika in der Saharawüste lebt.»
«Was ist ein Nomade?»
«Ein Nomade ist jemand, der nie lange an einem Ort bleibt.»
«So ähnlich wie wir?»
«Wenn man so will, ja», sagt Rosy und lächelt.
Und sie erzählt mir die Geschichte von dem Tuareg Hassan, einem kleinen Jungen in meinem Alter, der seine Tage damit verbringt, auf einem Kamelrücken unter einer sengenden Sonne, die heißer brennt als meine Stirn, die Wüste zu durchstreifen. Hassan würde gern zu Fuß gehen, aber der Sand ist zu heiß, und außerdem würde er darin einsinken und auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Deshalb wartet er ab, bis es Nacht ist. Er macht ein paar Schritte im Zelt, aber da kann er nur im Kreis gehen wie eine Katze in ihrem Käfig. Wenn die ganze Familie schläft und so laut schnarcht, als wollte sie die wilden Tiere wecken, geht er nach draußen. Als er sich in der Wüste verliert, malen die Sterne einen Pfeil an den Himmel, und der noch immer warme Sand verhärtet sich, damit Hassan nicht einsinkt, und die wilden Tiere verstecken sich im Dunkeln, um ihn nicht zu erschrecken, und Hassan kann seinen Traum verwirklichen und stundenlang gehen, ohne Angst haben zu müssen. Als er zurückkehrt, um sich schlafen zu legen, weiß er nicht, dass die Zeit stehen geblieben ist, damit er am
nächsten Tag nicht zu müde ist. Er kann ruhig schlafen, während die Engel der Wüste über ihn wachen, denn er besitzt nichts als seinen Traum.
«Aber seine Familie hat er doch», sage ich.
«Ja, aber seine Familie muss das Lager errichten, die Routen festlegen, darüber wachen, dass die Kamele nicht ausreißen, und niemand hat Zeit, sich um den kleinen Tuareg zu kümmern. »
«Deine Geschichte ist nicht schön. Da ist ein kleiner Junge, der das Glück hat, eine ganze Familie zu haben, und er träumt davon, auf dem Sand zu gehen, weil er den ganzen Tag auf einem Kamel sitzt.»
«Es ist eine Geschichte, Pflaume.»
«Dann mag ich keine Geschichten. Wir haben auch nichts Besonderes. Wir wohnen vielleicht nicht in der Wüste und gehen oft im Wald spazieren, außer Eierkopf will seine neuen Schuhe nicht schmutzig machen, aber wir haben kein Zuhause und sind wie die Nomaden, weil wir alle hoffen, eines Tages wegzugehen, und die von uns, die eine Familie haben, sind genauso unglücklich wie Hassan.Wozu soll eine Familie gut sein, wenn sie keine Zeit hat, einen lieb zu haben und sich um einen zu kümmern?»
«Wir können nicht wissen, ob Hassans Familie ihn nicht lieb hat. Das Leben in der Wüste ist hart, viel härter als auf dem Land oder in den Städten, und Hassans Familie hat keine andere Wahl. Hassan ist glücklich, weil er seinen Traum verwirklichen kann, und er weiß nicht, dass die Engel ihm dabei geholfen haben.»
«Glaubst du, dass die Engel auch über uns wachen und dass die Sterne einen Pfeil malen, wenn wir uns verlaufen, und dass die Zeit stehen bleibt, wenn wir nachts im Wald spazieren gehen?»
«Aber sicher, mein Pfläumchen.»
«Ich glaube, dass ich heute Morgen Engel mit großen schwarzen Flügeln gesehen habe.»
«Und wo?», fragt Rosy ein bisschen beunruhigt.
«Über meinem Kopf, nach den Medikamenten vonYvonne.»
«Da hast du sicher geschlafen, mein Kleiner, oder du hast Schatten hinter den geschlossenen Jalousien gesehen.»
«Nein, es waren Engel mit großen schwarzen Flügeln», sage ich ein bisschen wütend.
Wozu soll es gut sein, Geschichten zu erzählen, in denen Engel über Kinder wachen, wenn man gar nicht daran glaubt?
Manchmal müsste man die Erwachsenen richtig schütteln, um das Kind wachzurütteln, das in ihnen schläft.
Das verdirbt einem jede Lust auf das Größerwerden.
Ich bin überzeugt davon, dass Feen und Engel über mich wachen, denn wie hätte ich sonst Camille begegnen können?
Die Engel entführen mich in Hassans Wüste, aber ich rutsche auf ihren Federn aus und stürze und drehe mich in den
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