Autobiografie einer Pflaume - Roman
die Schule aus ist, räumen wir unsere Hefte und Stifte und Bücher in den Schulranzen und sagen Monsieur Paul auf Wiedersehen, vor allem Ahmed, der seine Hand nicht loslassen will, und wir steigen mit Pauline, die an den Fingern abzählt, ob wir alle da sind, zu Gérard in den Bus und setzen uns auf unsere Plätze.
Gérard schaltet seine Musikkiste an, und manchmal singen Simon, Gérard und ich Juanita Banana von Henri Salvador, und Pauline singt:«Erbarmen!», aber das ist Quatsch, denn es kommt gar nicht in dem Lied vor.
Wenn wir im Heim ankommen, besucht jeder von uns Madame Papineau und erzählt ihr, wie es war, und zeigt ihr das Traumhaus oder bekommt Süßigkeiten aus ihrem Schrank.
Neulich hat Béatrice mit den Fingern in der Nase wieder Madame Papineau gefragt, ob sie mit ihrer Mama am Telefon sprechen darf.
Simon sagt, dass die Mama von Béatrice immer verspricht, sie zu besuchen, aber nie kommt, und dass Béatrice die Treppe runterrennt, wenn sie ein Auto vorfahren hört, und dass es immer das Auto von jemand anderem ist und dass sie am Sonntagabend mit ihren roten Augen kein schöner Anblick ist.
Madame Papineau hat zu Béatrice gesagt:«Komm um 19 Uhr zu mir, dann rufen wir deine Mama an», und das hat sie mit einem Lächeln gesagt, als würde es diesmal sicher klappen.
Am Sonntag hat Raymond mich besucht, aber für Béatrice ist kein Auto gekommen. Rosy hat sie in die Arme genommen, und der Kopf von Béatrice ist in ihrem dicken Busen verschwunden, und die Schultern von Béatrice haben gezittert, als Rosy sie gestreichelt hat.
Nach den Süßigkeiten der Heimleiterin gehen wir mit Rosy den Nachmittagskakao trinken, und Rosy erstickt uns fast mit ihren Küssen, und es riecht nach Kakao und nach getoastetem Brot, und Alice klettert Rosy auf den Schoß, und es gelingt Rosy, sie mit einem Butterbrot mit Marmelade zu füttern und ihr dabei die langen braunen Haare aus dem Gesicht zu halten.
Danach machen wir unsere Hausaufgaben, und Rosy muss oft Ahmed helfen, der meint, zwei und zwei wäre acht. Wenn Rosy da ist, sind Simon und ich superfleißig, und wir antworten an Ahmeds Stelle, und Rosy sagt:«Habt ihr nichts Besseres zu tun?», und wir sagen:«Nein», und Rosy verdreht die Augen, weil Ahmed wieder heult.
Danach gehen wir duschen, und Simon sagt:«Das warme Wasser löst uns noch die Haut ab», und Rosy hat ein Auge auf ihn.
Wenn wir sauber sind, dürfen wir spielen gehen, und weil Winter ist, spielen wir drinnen.
Alice zieht ihrer Puppe eine Hose an und darüber ein Kleid und zwei Pullover, und sie zieht der Puppe an den Haaren und versohlt ihr den Hintern -«Böses Mädchen, du böses, böses Mädchen».
Die Puppe von Béatrice ist immer ganz nackig.
Béatrice drückt sie an sich und singt ihr vor.
Einmal hat sie nasenbohrend zu mir gesagt:«Bei mir scheint immer die Sonne, und meine Mama hat einen Badeanzug an, mehr nicht, und bald kommt sie mich besuchen und bringt die Sonne mit», und sie hat gelacht, und ich habe ihre kleinen und ganz weißen Zähne und ihre rosa Zunge gesehen.
Boris und Antoine spielen ihr Wörterbuchspiel, und keiner will mitspielen, und Simon, Ahmed und ich spielen Fangen oder Verstecken, und Ahmed verliert immer, und hinterher heult er.
Einmal haben Simon und ich Ahmed in dem Wandschrank, in dem er sich versteckt hatte, eingesperrt. Rosy hat ihn gefunden, und sie hat sich Sorgen gemacht, aber Simon und ich haben nichts gesagt, nur zu Ahmed, dass er die Klappe halten soll, und Ahmed hat den ganzen Abend kein Wort gesagt.
Nach dem Abendessen putzen wir uns die Zähne und warten im Bett auf Rosys Gutenachtkuss. Und manchmal schickt Rosy Simon ins Bad zurück, weil die Petersilie zwischen seinen Zähnen ihn verraten hat.
Am Anfang wollte ich jeden Abend fernsehen, aber Rosy sagt:«Fernsehen gibt es nur am Montagabend.»
Und da sehen wir nur Zeichentrickfilme wegen der Kleinen, Filme wie Dornröschen , die jahrelang unter einer Glasglocke darauf wartet, dass ihr Prinz kommt und sie befreit. Und der Prinz lässt sich ganz schön viel Zeit, so dass man sich langsam fragt, ob er überhaupt kommen wird.
Am Dienstagabend gehen wir schwimmen.
Alle Kinder aus dem Heim dürfen mitkommen, und Gérards Bus ist zum Bersten voll mit«hysterischen Blagen», wie Pauline sagt, die angezogen ist wie in einem James-Bond-Film. Sie hat ein superenges Kleid an und hat sich die Augen grün oder lila und den Mund knallrot angemalt, und an den Handgelenken und an den Fingern
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