Autofab
Krieg?«
Diesmal kam keine Antwort. Ein verstörtes, angestrengtes Stirnrunzeln verzerrte das glatte Gesicht des Jungen.
»Keine Antwort?« erkundigte sich Sipling eisig.
»Also, äh«, stammelte der Junge. »Na ja…« Hoffnungsvoll blickte er auf. »Wenn es soweit ist, sagt es denn dann keiner?«
»Doch, sicher«, würgte Sipling hervor. »Einer sagt’s bestimmt. Vielleicht sogar Mr. Yancy.«
Erleichterung überschwemmte das Gesicht des Jungen. »Ja, Sir. Mr. Yancy sagt’s bestimmt.« Er trat den Rückzug zu den anderen Kindern an. »Kann ich jetzt gehen?«
Als der Junge zu seinem Spiel zurückgeflitzt war, wandte Sipling sich traurig an Taverner. »Wissen Sie, was für ein Spiel sie da spielen? Es nennt sich Hippo-Hoppo. Raten Sie mal, wessen Enkel es ganz toll findet und wer das Spiel erfunden hat.«
Sie schwiegen.
»Was schlagen Sie vor?« fragte Taverner schließlich. »Sie haben gesagt, man könnte was unternehmen.«
Kälte glitt über Siplings Gesicht hinweg, ein Aufblitzen abgründiger Verschlagenheit. »Ich kenne das Projekt … ich weiß, wo man den Hebel ansetzen muß. Aber dazu muß den Behörden jemand das Messer an die Kehle setzen. In neun Jahren ist mir klargeworden, was der eigentliche Schlüssel zu der Figur Yancy ist… der Schlüssel zu der neuen Sorte Mensch, die wir hier heranzüchten. Es ist ganz einfach. Es ist der Faktor, der den Betreffenden so gefügig macht, daß er sich gerne führen läßt.«
»Ich bin ganz Ohr«, sagte Taverner geduldig; er hoffte, daß die Leitung nach Washington einwandfrei stand.
»Yancys Ansichten sind allesamt fade und abgeschmackt. Der Schlüssel heißt Seichtigkeit. Jeder Bestandteil seiner Ideologie ist völlig verwässert: bloß keine Exzesse. In puncto Ansichten sind wir soweit wie nur möglich an Null herangekommen… das haben Sie ja gemerkt. Wo immer es möglich war, haben wir eine Haltung ausgeklammert, haben wir das Individuum apolitisch belassen. Ohne Standpunkt.«
»Klar«, pflichtete Taverner bei. »Aber mit der Illusion eines Standpunkts.«
»Alle Aspekte der Persönlichkeit müssen kontrolliert werden; wir wollen das ganze Individuum. Also muß es zu jeder konkreten Frage eine spezifische Haltung geben. Eins haben wir uns in jeder Hinsicht zur Regel gemacht: Yancy glaubt immer an die bequemste Möglichkeit. Die seichteste. Die simple, zweckmäßige Anschauung, die Anschauung, die nicht tief genug geht, um einen nennenswerten Gedanken auszulösen.«
Allmählich begriff Taverner. »Anständige, solide, beruhigende Ansichten.« Hastig und aufgeregt fuhr er fort: »Aber wenn sich nun eine extrem originelle Anschauung einschleichen würde, eine, deren Entwicklung wirklich harte Arbeit erfordert, etwas, das man nur schwer leben kann…«
»Yancy spielt Krocket. Also murkst jetzt jeder mit ‘nem Schläger rum.« Siplings Augen glänzten. »Aber angenommen, Yancy hätte eine Vorliebe für das – Kriegsspiel.«
» Wofür?«
»Schach auf zwei Brettern. Jeder Spieler hat ein eigenes Brett, mit einem kompletten Satz Figuren. Das andere Brett kriegt er nie zu sehen. Ein Schiedsrichter sieht beide; er sagt jedem Spieler, wann er eine Figur geschlagen oder verloren hat, auf ein besetztes Feld gezogen ist oder einen unmöglichen Zug gemacht hat, Schach bietet oder selbst im Schach steht.«
»Verstehe«, sagte Taverner rasch. »Jeder Spieler versucht, so auf die Stellung des Gegners auf dem Brett zu schließen. Er spielt blind. Du lieber Gott, das würde alle verfügbaren geistigen Kräfte in Anspruch nehmen.«
»Auf die Art haben die Preußen ihren Offizieren Militärstrategie beigebracht. Es ist mehr als ein Spiel: Es ist ein kosmischer Ringkampf. Was wäre, wenn Yancy sich abends mit Frau und Enkel hinsetzen und eine nette, spannende sechsstündige Partie Kriegsspiel spielen würde? Angenommen, seine Lieblingslektüre wären nicht anachronistische Ballermann-Western, sondern griechische Tragödien? Angenommen, seine Lieblingsmusik wäre Bachs Kunst der Fuge und nicht My Old Kentucky Home ?«
»Langsam komm ich dahinter«, sagte Taverner so ruhig wie möglich. »Ich glaube, da können wir Ihnen helfen.«
Babson quiekste einmal. »Aber das ist – illegal!«
»Ganz recht«, bestätigte Taverner. »Deswegen sind wir ja hier.« Er winkte die Männer des Neuplan-Geheimdienstkommandos in die Büros des Yancy Building und ignorierte die verblüfften Angestellten, die kerzengerade an ihren Schreibtischen saßen. In sein Kehlkopfmikro sagte er:
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