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Autofab

Autofab

Titel: Autofab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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überhaupt noch jemand lebt. Ich dachte, Sie wären allesamt in die nächsten regenerierten Gebiete gezogen, nach San Francisco und Sacramento.«
    »Sie haben die Anträge, die wir gestellt haben, nie gelesen«, sagte Giller leise.
    Sharp errötete. »Um die Wahrheit zu sagen, nein. Wieso sollte ich? Auch wenn dort Menschen in der Schlacke kampieren, ändert das nichts an der Ausgangssituation; Sie sollten
    wegziehen, da verschwinden. Das Gebiet ist am Ende.« Er setzte hinzu: »Ich bin doch auch weg.«
    Ganz ruhig sagte Giller: »Sie wären dageblieben, wenn Sie dort eine Farm gehabt hätten. Wenn Ihre Familie dort über hundert Jahre das Land bewirtschaftet hätte. Das ist was anderes als ein Drugstore. Drugstores sind überall auf der Welt gleich.«
    »Farmen auch.«
    »Nein«, sagte Giller nüchtern. »Ihr Land, das Land Ihrer Familie hat immer etwas Einzigartiges. Wir werden weiter dort kampieren, entweder bis wir tot sind oder bis Sie sich entschließen zu regenerieren.« Mechanisch sammelte er die Rechnungen ein und schloß: »Sie tun mir leid, Paul. Sie sind dort nie so tief verwurzelt gewesen wie wir. Und es tut mir leid, daß man Ihnen das nicht begreiflich machen kann.« Er griff in seinen Mantel, um seine Brieftasche hervorzuholen, und fragte: »Wann können Sie hinfliegen?«
    »Fliegen!« echote Sharp schaudernd. »Ich fliege nirgendwohin.«
    »Sie müssen sich die Stadt noch mal anschauen. Sie können doch keine Entscheidung treffen, ohne vorher diese Menschen gesehen zu haben, ohne gesehen zu haben, wie sie leben.«
    »Nein«, sagte Sharp nachdrücklich. »Ich fliege nicht hin. Ich kann auf der Grundlage von Berichten entscheiden.« Giller dachte nach. »Sie werden kommen«, erklärte er. »Nur über meine Leiche!«
    Giller nickte. »Mag schon sein. Aber Sie werden kommen. Sie können uns nicht verrecken lassen, ohne uns gesehen zu haben. Sie müssen schon den Mumm aufbringen und sehen, was Sie da anrichten.« Er holte einen Taschenkalender hervor und kritzelte ein Häkchen neben ein Datum. Er warf ihn Sharp quer über den Tisch zu und meinte: »Wir kommen in Ihrem Büro vorbei und holen Sie ab. Wir haben ein Flugzeug, damit sind wir auch hierher geflogen. Es gehört mir. Ein hübsches Schiffchen.«
    Zitternd schaute Sharp auf den Kalender. Humphrys beugte sich über seinen murmelnden, auf dem Rücken ausgestreckten Patienten und tat dasselbe.
    Er hatte sich nicht getäuscht. Sharps traumatisches Erlebnis, das unterdrückte Material, lag nicht in der Vergangenheit.
    Sharp litt an einer Phobie, die auf einem Vorfall beruhte, der ein halbes Jahr in der Zukunft lag.
    »Können Sie aufstehen?« erkundigte sich Humphrys.
    Schwach regte sich Paul Sharp im Sessel. »Ich – « begann er und verstummte.
    »Das wär’s fürs erste«, beruhigte ihn Humphrys. »Sie haben genug. Aber ich wollte Sie von dem eigentlichen Trauma wegführen.«
    »Jetzt geht’s mir besser.«
    »Versuchen Sie aufzustehen.« Humphrys kam näher und stand wartend daneben, als der Mann sich schwankend auf die Beine quälte.
    »Ja«, schnaufte Sharp. »Es hat sich gelegt. Was war das zum Schluß? Ich saß in einem Cafe oder so was. Mit Giller.«
    Humphrys holte einen Rezeptblock aus seinem Schreibtisch. »Ich werde Ihnen einen kleinen Seelentröster verschreiben. Ein paar runde weiße Tabletten, die Sie alle vier Stunden einnehmen müssen.« Er kritzelte etwas und reichte den Zettel dann seinem Patienten. »Damit Sie sich entspannen. Das wird Ihnen ein bißchen von diesem Druck nehmen.«
    »Danke«, sagte Sharp mit leiser, beinahe unhörbarer Stimme. »Da ist eine Menge Material ans Licht gekommen, nicht wahr?« fragte er sofort.
    »Allerdings«, gestand Humphrys knapp.
    Er konnte nichts für Paul Sharp tun. Der Mann war dem Tod bereits sehr nahe – nicht mehr lange, nur noch ein halbes Jahr, dann würde Giller sich ihn vorknöpfen. Und das war schade, denn Sharp war ein anständiger Kerl, ein anständiger, gewissenhafter, hart arbeitender Bürokrat, der lediglich versuchte, seine Pflicht so zu erfüllen, wie er es für richtig hielt.
    »Was meinen Sie?« fragte Sharp trübselig. «Können Sie mir helfen?«
    »Ich – werd’s versuchen«, antwortete Humphrys; er konnte ihm einfach nicht ins Gesicht sehen. »Aber das geht sehr tief.«
    »Es ist über lange Zeit gewachsen«, räumte Sharp unterwürfig ein. Wie er so neben dem Sessel stand, wirkte er klein und hilflos; kein wichtiger Beamter mehr, sondern bloß noch ein einsames,

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