Autor
Ihm brannten zahlreiche Fragen auf der Zunge, doch wenn er sie dem Pater aufs Geratewohl stellte, würde es zuviel Zeit in Anspruch nehmen, die Antworten in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen. Er mußte die Fragen in einer logischen Aufeinanderfolge stellen.
Doch während Saul noch überlegte, kam ihm Drew zuvor, indem er ohne Umschweife sein Kernproblem zur Sprache brachte. »Wissen Sie, was Kardinal Pavelic zugestoßen ist?«
»Ich habe ihn getötet... seine Leiche verbrannt.«
Schockiert sah Drew zu Arlene und Saul auf.
»Warum?«
»Er hat herausgefunden, was ich getan habe.«
»Und was haben Sie getan?«
»Den Juden alles erzählt.«
Jede Faser in Sauls Körper spannte sich. »Den Juden?«
»Was haben Sie den Juden erzählt?« fragte Arlene.
»Die Geschichte mit den Nazis.«
Im Raum wurde es bedrückend still. Saul hatte das Gefühl, als würden sie gleich einen Stein zur Seite wälzen, unter dem etwas Schreckliches verborgen lag.
26
Doch die Enthüllungen nahmen einige Zeit in Anspruch.
Als 1941 die deutschlandfreundliche Regierung von Jugoslawien einem gegen die Nazis gerichteten Umsturzversuch weichen mußte, war Hitler entschlossen, an Jugoslawien ein Exempel zu statuieren, um ähnlichen Loslösungsbestrebungen anderer Nationen vom Dritten Reich vorzubeugen. Die jugoslawische Hauptstadt Belgrad wurde Ziel massiver Luftangriffe. Die Wehrmacht fiel in Jugoslawien ein und schlug sämtliche weiteren Erhebungen nieder. Das Land wurde aufgeteilt; die einzelnen Territorien fielen an Bulgarien, Albanien, Ungarn und Italien. Der verbleibende Rest wurde zu dem nationalsozialistischen Marionettenstaat Kroatien gemacht.
Die neu eingesetzte kroatische Regierung leitete unverzüglich rassische und religiöse Säuberungsaktionen ein, die mit solcher Brutalität durchgesetzt wurden, daß selbst hartgesottene SS-Offiziere ihre Bedenken anmeldeten. Eine fanatische Gruppe von Kroaten, die Ustascha, ging im Auftrag der Regierung gegen Serben, Juden und Zigeuner vor. Unzählige Menschen wurden auf bestialische Weise ermordet oder in Konzentrationslager gesteckt, wo sie ein kaum minder grausames Schicksal erwartete. Diesen Säuberungsaktionen fielen mindestens sechshunderttausend Menschen zum Opfer, wobei andere Schätzungen die Zahl der Toten bei ein und einer Viertelmillion ansetzen.
Pater Krunoslav Pavelic, der in Jugoslawien geboren und aufgewachsen war, stellte sich auf die Seite der Ustascha und ihrer Nazi-Auftraggeber. Dies hatte zum einen pragmatische Gründe - er wollte auf der Seite der Sieger stehen. Zum anderen lagen dem jedoch auch ideologische Motive zugrunde. Pavelic war der festen Überzeugung, mit seinem Tun Gott zu dienen. Einmal aller rassistischen Aspekte ungeachtet, trat er mit vollster Überzeugung für die Auslöschung aller Religionen mit Ausnahme des Katholizismus ein. Bei den Juden und den Zigeunern handelte es sich seiner Meinung nach sowieso um Heiden, und was die Serben betraf, die überwiegend dem griechisch-orthodoxen Glauben anhingen, sollten auch sie wegen ihres Abfalls vom wahren Glauben erbarmungslos bekämpft werden. Pater Pavelic unterstützte die Ustascha nicht nur, er tat sich sogar mit ihr zusammen und wurde zu einer ihrer maßgeblichen Führungspersönlichkeiten.
Innerhalb der Kirche selbst wußte man nichts von diesem privaten heiligen Krieg des Paters Pavelic. Eingeweihte Kreise waren jedoch sehr wohl über die Verfolgung der Orthodoxen und vor allem der Juden informiert. Mit einigen wenigen Ausnahmen wurden von Seiten der Kirche aber keinerlei Versuche unternommen, diesem Morden ein Ende zu bereiten. Diese Nichteinmischung wurde damit begründet, die Kirche müßte ihre Neutralität wahren, um nicht selbst massiven Repressionen ausgesetzt zu werden. Falls Hitler den Krieg gewonnen und die Kirche als ihm feindlich gesinnt betrachtet hätte, dann wäre ihrem Bestehen ebenso ein Ende gemacht worden, wie der jugoslawischen Nation. »Beten und abwarten«, wurde in dieser schwierigen Zeit zum Motto der Kirche.
Nach der endgültigen Niederlage Hitlerdeutschlands im Jahr 1945 versuchte die Kirche ihre stillschweigende Duldung des Naziterrors wiedergutzumachen, indem sie sich, vor allem über die Vermittlung des Roten Kreuzes, nachhaltig für die zahlreichen Flüchtlinge einsetzte. Indessen war Pater Pavelic von Kroatien nach Rom versetzt worden, wo er dafür sorgte, daß er dem Flüchtlingshilfeprogramm des Roten Kreuzes zugeteilt wurde. In dieser Position ließ er dann
Weitere Kostenlose Bücher