Autor
Besitz noch übrig ist.«
»Wir müssen herausfinden, was aus deinem Vater geworden ist.«
»Und es denen heimzahlen, die uns aus unserem Heim vertrieben haben.«
»Drei Jahre sind eine lange Zeit«, gab Saul zu bedenken. »Einmal ungeachtet Mishas Komplimenten - glaubst du, wir sind überhaupt noch gut genug?«
»Gut genug? Ich habe doch während der letzten drei Jahre nichts anderes getan, als frische Kräfte zu schöpfen. Die Leute, die meinen Vater entführt haben, werden es noch bitter bereuen, uns in die Quere gekommen zu sein, sobald sie erst einmal festgestellt haben, wie gut wir noch sind.«
Der Büßer
1
Südlich von Kairo, auf der Westseite des Nils. Die Nitrische Wüste. Ägypten. Diesmal war es keine Maus, die er beobachtete, sondern eine Eidechse. Und sie vollführte keine kleinen Kunststücke, wie Stuart Little das getan hatte. Sie vermochte Drew nicht aus seiner Selbstgenügsamkeit zu reißen. Sie brachte ihn auch nicht dazu, sich nach der Gesellschaft anderer Menschen zu sehnen, seien es Freunde oder wildfremde Menschen. Das kleine Reptil begnügte sich damit, aus seinem Loch unter einem Felsen hervorzukriechen und die Stunden nach Sonnenaufgang in der Sonne zu liegen. Wenn die Dämmerung hereinbrach, ließ sich das Tier auf einer Steinplatte nieder, um die darin gespeicherte Sonnenwärme zu absorbieren. Nur in dem Zeitraum dazwischen, wenn die mörderische Hitze ihren Höhepunkt erreichte, zog es sich in den Schatten seines Verstecks zurück. Ein dreißig Zentimeter langes, runzlig gedrungenes, gelbes, mit keinem Lid zuckendes, nur die Zunge immer wieder vorschnellendes Zeugnis für die schrulligen Auswüchse von Gottes Schöpferlaune.
Gegen die Rückwand der dunklen Höhle gelehnt, saß Drew da und beobachtete, wie das Reptil seinen morgendlichen Sonnenplatz vor dem Höhleneingang einnahm. Er haßte dieses Vieh. Und aus eben diesem Grund duldete er es. Er wußte, daß Gott ihn auf die Probe stellte. Die Echse war Teil seiner Buße. Sein Blick wanderte über die raunen Felswände der Höhle. Im Vergleich dazu war selbst die karge Zelle des Karthäuserklosters in Vermont, in der er sechs Jahre lang gelebt hatte, geradezu luxuriös gewesen. Neuerlich verglich er die Echse, die er entweder Quasimodo oder Luzifer nannte, mit Stuart Little, der Maus, die ihm während der letzten zwei Jahre im Kloster Gesellschaft geleistet hatte. Doch dann war das possierliche Tier im Zuge eines Überfalls auf das Kloster, der Drew gegolten hatte, getötet worden. Gleichzeitig war Drew dadurch gezwungen gewesen, dem Kloster und seinem Frieden den Rücken zu kehren und sich neuerlich in das Getriebe der Welt hinauszuwagen. Die sich daraus ergebenden Geschehnisse - sein Krieg mit Scalpel, seine Wiedervereinigung mit Arlene und seine Konfrontation mit der Bruderschaft vom Stein - hatten paradoxerweise zu seiner Erlösung geführt, um ihn freilich nur wieder von neuem der Verdammnis anheimfallen zu lassen und ihn dazu zu bringen, sich in diese Höhle in der ägyptischen Wüste zurückzuziehen, wo das christliche Mönchstum seinen Anfang genommen hatte. Und hier strebte er nun durch regelmäßige Buße und im Gebet nach neuerlicher Erlösung von den Sünden der Vergangenheit.
Damit hatte er nun schon ein ganzes Jahr verbracht. Seine Tage, die einer wie der andere verliefen, waren mit körperlichen Übungen und Meditationen ausgefüllt. Allerdings hatte er sich in letzter Zeit zu schwach gefühlt, um sein körperliches Übungsprogramm weiter durchzuführen. Statt dessen lag er im hinteren Teil der Höhle auf dem harten Boden und intonierte lateinische Meßgesänge. Er hätte gern gewußt, ob es das Latein war, das die häßliche Echse veranlaßte, ihm hin und wieder ihren Kopf mit den vollkommen reglosen Augen zuzuwenden.
Die Echse ist von Gott gesandt, dachte Drew. Wenn es mir gelingt, sie entsprechend zu würdigen, werde ich erlöst werden. Das wird das Zeichen sein, daß ich mich jedem Wunsch Gottes in vollkommener Weise geöffnet habe.
Ab und zu störten körperliche Bedürfnisse seine Meditation. Er mußte Flüssigkeit zu sich nehmen. Nicht weit von der Höhle gab es eine Quelle - mit ein Grund, weshalb er sich für diese Stelle entschieden hatte. Wie gewöhnlich zögerte er auch diesmal den Augenblick, in dem er seinen Durst stillte, möglichst weit hinaus. Zum Teil tat er dies, um seine Buße zu verschärfen, zum Teil erhöhte er dadurch jedoch auch die Intensität seiner Befriedigung, wenn er sich
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