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waren nagelneu. Was das betraf, könnte ich natürlich so tun, als dächte ich, sie wären für diesen Überfall frisch ausgerüstet worden. Aber die Fingernägel haben sie eindeutig verraten. Sie haben sich Schmutz über ihre Hände geschmiert; nur kam davon nichts unter ihre Fingernägel. Ziemlich eingebildet. Dachten sie wirklich, keiner von ihnen müßte ins Gras beißen? Dachten sie im Ernst, niemandem würden ihre manikürten Hände auffallen? Das waren keine Terroristen, sondern importierte Berufskiller. Sie wurden ausgesucht, weil sie Araber waren. Aber diese Burschen haben sonst nicht in der Wüste operiert, sondern in Athen, Rom, Paris oder London.«
Misha nickte. »Sie sind also auch nach den drei Jahren hier draußen nicht aus der Übung gekommen.«
Saul deutete auf das zerstörte Haus hinter sich. »Ganz offensichtlich galt der Überfall nicht dem Dorf, sondern uns. Unser Haus wurde eindeutig am nachhaltigsten in Mitleidenschaft gezogen.«
Erika stand auf, trat hinter Misha und legte ihm die Hände auf die Schultern. »Was ist der Grund deines Kommens, mein Guter?«
Misha sah bedrückt vom Boden auf.
»Was hast du denn?« drängte sie. »Was ist passiert?«
»Erika, dein Vater ist verschwunden.«
4
Mit der Ruhe und dem Frieden der letzten drei Jahre war es nun endgültig vorbei. An ihrer Stelle waren nun wieder die wesentlichen Bestandteile von Sauls früherem Leben getreten -Anspannung, Argwohn, Wachsamkeit. Offensichtlich gab es für Saul keine Möglichkeit, seiner Vergangenheit zu entrinnen; sie hatte ihn selbst hier, an diesem entlegenen Ort eingeholt.
Nachdem Misha sich in seinem Wagen schlafen gelegt hatte, saß Saul mit Erika an dem kleinen Feuer vor den Trümmern ihres Hauses.
»Falls der Überfall uns galt«, erklärte Erika, »müssen wir damit rechnen, daß sie es nicht bei diesem einen Versuch, uns zu beseitigen, bewenden lassen werden.«
Erika stocherte mit einem Zweig in der Glut.
»Wir können den anderen Dorfbewohnern nicht zumuten, daß sie allein aufgrund unserer Anwesenheit neuerlich in Gefahr geraten«, fuhr Saul fort.
»Was sollen wir tun? Ein Schild aufstellen? Die Leute, auf die ihr es abgesehen habt, leben hier nicht mehr?« Das Flackern des Feuers brach sich in ihren Augen.
»Genauso, wie sie herausfanden, daß wir uns hier niedergelassen haben, werden sie auch herausfinden, daß wir das Dorf verlassen haben.«
»Aber was könnten sie von uns gewollt haben?«
Saul schüttelte den Kopf. »Drei Jahre sind eine lange Zeit. Und ich habe mich mit dem CIA darauf geeinigt, daß man so tun würde, als existiere ich nicht, solange ich von der Bildfläche verschwunden bliebe.«
»Und das haben wir doch weiß Gott getan«, stieß Erika bitter hervor. »Wir sind von der Bildfläche verschwunden.«
»Deshalb nehme ich auch an, daß der Überfall nichts mit unserer Vergangenheit zu tun hat.«
»Demnach müssen die Gründe für den Anschlag also jüngeren Datums sein?«
»Damit ist freilich noch immer nicht die Frage nach dem Warum beantwortet.«
»Glaubst du an einen Zusammenhang?«
Erika hatte sich sehr vage ausgedrückt, aber Saul ahnte, worauf sie anspielte. »Du meinst mit dem Verschwinden deines Vaters?«
»Das war gestern.«
»Und heute der Überfall?«
»Ein Unglück kommt bekanntlich selten allein«, seufzte Erika. »Aber...«
»Ich glaube nicht an den Zufall. Man sollte vor dem Offensichtlichen nicht die Augen verschließen.«
»Also sehen wir ihm ins Auge.«
»Du weißt, was das zu bedeuten hat?«
Sie stieß den Zweig heftiger in die Glut. »Es ist ein weiterer Grund, unser Heim zu verlassen. Oder besser, was von unserem Heim noch übriggeblieben ist.«
Saul mußte an die Bewässerungsgräben denken, an deren Bau und Verbesserung er drei Jahre gearbeitet hatte. »Das tue ich nur sehr ungern.«
»Es wäre die Mühe ja auch nicht wert gewesen, wenn wir von all dem hier so leicht Abschied nehmen könnten.«
»Wir werden keine Chance gegen unsere Verfolger haben, wenn wir nicht mit absoluter Entschlossenheit zum Gegenschlag ansetzen.«
»Mach dir deswegen keine Sorgen. Mir liegt sehr viel an meinem Vater, und eines der größten Opfer, das für mich mit dem Leben hier verbunden war, bestand darin, ihn nicht mehr sehen zu dürfen.«
Das Feuer knisterte. Plötzlich stand Erika auf. »Wir sollten uns besser fertigmachen. In gewisser Weise haben uns die Angreifer sogar einen Gefallen getan. Wir können problemlos auf unserem Rücken tragen, was von unserem
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