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einen Stuhl gefesselt, ihm die Handgelenke auf dem Rücken zusammengebunden und eine Schlinge um seinen Hals gelegt. Das Ende der Schlinge war mit dem Seil verknüpft, mit dem Medicis Handgelenke gefesselt waren. Jedesmal, wenn Medicis Kopf von einem Schlag zur Seite zuckte, schnitt die Schlinge in seinen Hals, und gleichzeitig wurden durch den Zug seine Handgelenke nach oben gerissen.
Nicht übel, fand Eiszapfen. So erzielt man mit einem minimalen Kraftaufwand eine maximale Wirkung. Der Verhörte wird sich bewußt, daß er sich seine Schmerzen zum größten Teil selbst zufügt. Er setzt alles daran, sich der Wucht des Schlags zu widersetzen, aber aufgrund der Art, in der er gefesselt ist, kann ihm das gar nicht gelingen. Sein eigener Körper wird zu seinem schlimmsten Feind. Und das wiederum hat verheerende Folgen für sein Selbstbewußtsein und sein Gefühl persönlicher Würde.
Eiszapfen war fest davon überzeugt, daß Medici jeden Moment klein beigeben würde. In dieser Ansicht wurde er auch durch die Tränen bestärkt, die inzwischen über Medicis Gesicht strömten.
»Ich frage nur noch einmal«, fuhr ihn Seth an. »Wer hat den Kardinal entführt?«
Medici kniff die Augen zusammen, als er sich seine Antwort überlegte. Die Schmerzen hatten seinen Sinn für die Ausweglosigkeit seiner Lage geschärft. Keiner seiner Leute wußte, wo er sich befand. Niemand würde ihm zu Hilfe kommen. Sein Problem waren weniger die Schmerzen als die Frage, wie er die Begegnung mit diesen beiden Männern lebend überstehen sollte.
»Hören Sie mir doch bitte erst mal zu, bevor Sie mich wieder schlagen!«
Seth zuckte mit den Schultern. »Das Problem ist nur, daß ich auch etwas zu hören bekommen möchte, was mich interessiert.«
Medici versuchte zu schlucken, aber die Schlinge schnürte seine Kehle zusammen. »Ich bin doch nur ein Vermittler. Meine Kunden treten immer nur dann an mich heran, wenn sie von mir Waffen oder Informationen benötigen. Ich versuche ihren Wünschen nachzukommen. Sie sagen mir allerdings nie, weshalb sie meine Dienste in Anspruch genommen haben. Und ich frage sie auch nicht danach.«
Seth wandte sich Eiszapfen zu und tat so, als müßte er gähnen. »Ich frage ihn nach dem Kardinal, und er erzählt mir seine Lebensgeschichte.«
»Sie wollen mir doch gar nicht zuhören!« fuhr Medici auf.
»Das werde ich sehr wohl, sobald Sie etwas Brauchbares vorbringen«, entgegnete Seth.
Überstürzt sprach Medici darauf weiter. »Meine Kunden weihen mich zwar nicht in ihre Pläne ein, aber ich halte selbstverständlich meine Ohren offen.«
»Wenn unser Freund nur endlich mal zur Sache käme«, wandte Seth sich an Eiszapfen.
»Ich muß mich schließlich auf dem laufenden halten, was sich in den einschlägigen Kreisen alles tut.«
»Als ob wir hier bei einem berufseinführenden Gespräch wären«, brummte Seth verächtlich.
»Ich weiß normalerweise durchaus über solche Dinge Bescheid, aber was die Entführung des Kardinals angeht, habe ich nicht ein Sterbenswörtchen zu hören bekommen - nicht einmal ein Gerücht. Und glauben Sie mir, daß ich sonst über so etwas auf jeden Fall Bescheid wüßte.« Als Medici sich nervös auf seinem Stuhl wand, schnürte sich die Schlinge um seinen Hals nur fester zusammen. Er begann zu würgen. »Die Entführer des Kardinals waren keine Extremisten; sie waren keine...«
»Terroristen«, fiel ihm Seth ins Wort. »Ihre Kunden sind ein übles Gesindel. Sie haben keinerlei Stil. Es sind Stümper und Feiglinge. Bomben auf Omnibusse.« Seth verzog verächtlich den Mund. »Verstümmelte Kinder.«
Einen Augenblick lang fragte sich Eiszapfen, ob er eben im Begriff war, völlig neue Charakterzüge an Seth zu entdecken. Doch dann wurde ihm klar, daß Seths Abscheu rein ästethische und keineswegs moralische Gründe hatte. Gegen die entsprechende Bezahlung hätte dieser Mann auch nicht davor zurückgeschreckt, unschuldige Kinder zu töten, wenn es die erfolgreiche Durchführung einer Mission erforderlich gemacht hätte.
Was ihn selbst betraf, war Eiszapfen jedoch felsenfest davon überzeugt, daß er nie ein Kind töten würde. Unter keinen Umständen. Nie.
Währenddessen war Medicis Redenschwall nicht mehr zu bremsen. »Natürlich wäre durchaus denkbar, daß Terroristen auch gegen die Kirche vorgehen und zum Beispiel einen Kardinal entführen, dessen Ansichten ihnen nicht ins Konzept passen. Schließlich wurde vor einigen Jahren sogar auf den Papst ein Anschlag verübt. Aber ich
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