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Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Titel: Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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tun, um eine reiche Ernte zu begünstigen. Boudicca warf einen Blick auf Lhiannon, erinnerte sich, wie die mittlerweile älter gewordene Frau einst gehofft hatte, Ardanos am Beltane-Feuer zu treffen. Doch jung, wie sie damals gewesen war, hatte sie die Botschaft der Trommeln nicht verstanden. Sie verstand sie erst jetzt.
    Das Donnern der Trommeln schwoll noch einmal an; Männer und junge Frauen fassten sich an den Händen, rannten lachend in die Nacht hinein. Dann plötzlich war der Kreis verstummt.
    »Es ist an der Zeit …«, sagte Lhiannon fast tonlos, als ringe auch sie um Fassung.
    »Ja, das ist es in der Tat.« Belina wandte sich an Boudicca. »Bist du bereit, meine Liebe?«
    Boudicca brachte kein Wort hervor, dafür antwortete ihr Körper. Sie stand auf und nahm die Maske der Weißen Stute aus der Hand der Priesterin entgegen. Sodann stülpte sie sich die ausgeformte Ledermaske über den Kopf, die von ihrem hochgesteckten Haar gestützt wurde, und Lhiannon zurrte die Schnürbänder fest. Der Hals der Maske reichte ihr über den Hinterkopf bis hinab auf die Schultern, während der Kopf ihr Gesicht verbarg; die Wangenpartie bog sich über ihre eigene, während die Schnauze vorsprang. Die Mähne bestand aus echten Pferdehaaren.
    »Nun …« Lhiannons Stimme schien von ganz weit weg zu kommen. »Nun bist du eine Königin …«
    Boudicca nahm das Gewicht des Leders kaum wahr. Vielmehr spürte sie eine Art Druck in ihrem Schädel; er zog ihr vermeintlich eigenes Selbst in eine Sphäre, von der aus sie nur mit Furcht und Schrecken zusehen konnte, wie ihr Körper ruckartige Sprünge vollführte gleich einem jungen Pferd, das sich gegen die Zügel wehrt. Wie viele Königinnen hatten diese Maske wohl schon getragen? Sie waren heute alle hier, und ihr Flüstern und Tuscheln vereinigte sich schließlich zu einer einzigen Stimme, die ihr entgegenschallte: » Ist nun die Zeit zu rennen?« – » Ist nun die Zeit zu tanzen?«
    Ein leichter Schauder rieselte ihr über den Rücken, ließ ihre Arme schlackern, fuhr weiter durch ihren Körper, durch ihre strammen Beine hinunter bis zu den Füßen, die heftig auf die Erde stampften. Sie drehte sich, spürte, wie weiche Hände sie auffingen und wieder aufrecht stellten, wie ihre Mähne herumschleuderte, als sie den Kopf schüttelte. Dann plötzlich entrang sich ihren Lungen ein wilder Atemstoß, und es klang, als ob sie halb lachte, halb wieherte. Sie versuchte, sich dagegen zu sträuben, so wie sie sich damals gegen die Morrigan gesträubt hatte. Doch diese Göttin jetzt war ungestümer und zahmer zugleich, und dennoch genauso stark.
    »Du kennst mich bereits, meine Tochter, warum hast du Angst? Weißt du nicht mehr, wie du die rote Stute geritten hast?«
    Und während Boudicca sich den wilden Ritt durch die mondhelle Nacht in Erinnerung rief, wurden Vergangenheit und Gegenwart, Reiterin und Reittier eins. Als kleines Mädchen war es ihr größter Wunsch gewesen, ein eigenes Pony zu haben; sie hatte ihren Vater so lange angebettelt und war so lange auf ihren eigenen kleinen Beinen um die Festung galoppiert, bis er sich schließlich hatte erweichen lassen und ihr ein Pony geschenkt hatte. Ihr Körper kannte diese Bewegungen also von Kindesbeinen an. Sie ließ den Umhang von den Schultern gleiten, schob den Vorhang zur Seite und schritt schließlich hinaus, geradewegs auf das helle Feuer zu.
    Ein ehrfurchtsvolles Raunen ging durch die versammelte Menge, übertönte die Flöten und Rasseln, die schließlich wieder zu ihrem Einsatz gefunden hatten. »Die Göttin ist bei uns … Epona ist bei uns … die Göttin kommt zum König …«
    Die Totems der einzelnen Stämme auf ihrem Körper wellten sich, während sich die Muskeln unter ihrer weißen Haut hin und her bewegten. Sie drehte sich, die Arme weit ausgebreitet, um sie alle zu umarmen. Frauen weinten, und in den Augen der Männer glänzte eine Hoffnung, die zuvor nicht da gewesen war. Sie ließ sich Zeit, denn dieses Volk hatte Leid und Schmerz erfahren und entbehrte ihrer Liebe. Einmal, zweimal, dreimal … schritt sie um den Kreis herum, segnete ihren Stamm, bis sie am Ende vor dem König stehen blieb.
    Prasutagos’ gleichmütige Ruhe war erschüttert. Auf seinen Wangen schimmerten silbrige Tränenspuren, und in den Augen stand überraschte Freude. Die Ledermaske verneigte sich vor ihm und hob sich dann mit einem wilden Mähnenschütteln. Ein Zittern rann durch ihren Körper; sie drehte sich um, gebärdete sich wie eine Stute.

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