Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon
länger sie in Gesellschaft Belinas und der anderen Druiden reiste, die sich ihnen auf ihrem Weg durch Britannien angeschlossen hatten, desto mehr wurde ihr wieder bewusst, weshalb sie und Ardanos damals froh gewesen waren, fortzugehen.
Der Mond, der abnehmend war, als die kleine druidische Reisegruppe sich in Dun Garo aufgemacht hatte, war inzwischen voll gewesen und begann eine neue abnehmende Phase. Zu alten Zeiten wäre die Reise etwas kürzer gewesen, doch inzwischen kontrollierten die Römer die Gebiete ihrer Verbündeten gründlicher als anfangs gedacht. Offenbar rechneten sie noch immer mit einem möglichen neuerlichen Angriff der Krieger Caratacs und der Ordovicer.
Sie seufzte, stand auf und rief nach Belina. Die anderen hatten bereits ein Feuer gemacht, das hell loderte. Lhiannon leerte das Wasser in den Kessel, und Belina gab aus ihrem grob gewebten Leinenbeutel getrocknetes Fleisch und Schrotmehl hinein. Zwei der Druiden stritten sich über die verschiedenen Arten, die genauen Tage für Feste zu errechnen. Beide waren alt und hatten gerade die Stämme verlassen, denen sie dienten, aus Furcht vor der römischen Verfolgung. Woher bekamen die Menschen jetzt bloß spirituelle Führung, wenn die Druiden alle auf Mona Zuflucht nahmen? Und was würden die Römer wohl tun, fragte sie sich unruhig, wenn sie dahinterkämen, dass so viele Druiden sich dort aufhielten?
Bis das Essen fertig war, war es fast dunkel geworden. Die überwucherten Bollwerke der verlassenen Festung auf dem Hügel zeichneten sich drohend gegen die Sterne ab. Heute fanden in den Festungen landauf, landab Märkte und Feste statt. Und Lhiannon hoffte, dass sie nie wieder zu anderen Zwecken gebraucht würden. In den vergangenen paar Jahren hatte sie eine Abneigung gegen solche Festungsanlagen entwickelt – nur allzu leicht wurden sie den Verteidigern selbst zur Falle.
»Und Lugovalos ist sicher, dass die Römer nicht nach Mona kommen werden?«, fragte einer der Männer.
»Was ist denn überhaupt noch sicher, außer vielleicht Helves Prophezeiungen?«, fragte Belina. »Aber wenn, können sie nur über den Küstenweg einfallen, und das wird schwer zu machen sein bei so vielen Männern.«
»Aber wenn doch«, bohrte der Alte nach. »Kann der Erzdruide uns verteidigen? Ich habe gehört, dass er bei schwacher Gesundheit sein soll.«
»Die vergangenen paar Jahre haben ihm schwer zugesetzt, wie uns allen«, sagte Belina geduldig und teilte Brei aus.
»Aber wenn er stirbt, wer kann ihm nachfolgen? Cunitor ist Oberpriester, aber er hat, soweit ich mich erinnere, nicht genügend Durchsetzungsvermögen.«
»Ich vermute mal, die Wahl würde auf Ardanos fallen, aber wir wollen hoffen, dass das noch eine Weile hin ist …«
Ardanos … Lhiannon drückte die Augen zu, und die Welt um sie herum versank in einem Strudel der Dunkelheit, durch den helle Feuer schossen. Erst durch einen brennenden Schmerz auf dem Oberschenkel kam sie wieder zu sich und merkte, dass sie ihren Brei verschüttet hatte. Rasch und etwas unbeholfen wischte sie die Sudelei mit ihrem Ärmel weg.
»Lhiannon, alles in Ordnung?« Belina hielt ihr ein Tuch hin.
»Tut mir leid«, murmelte sie benommen. »Ich wollte kein Essen verschwenden. Ardanos …« Sie holte tief Luft, zitterte, gab nicht zu, dass sie ihn die ganze Zeit tot geglaubt hatte. »Ich habe ihn zuletzt bei der Festung der Großen Steine gesehen. Ich bin froh … dass er entkommen konnte.«
»Oh, natürlich, ihr habt euch ja völlig aus den Augen verloren … woher solltest du das auch wissen. Er wurde verwundet, als tot erachtet und zurückgelassen. Ja, so war das, aber jetzt ist er wieder ganz gesund. Er wird sich freuen, dich zu sehen …«, fügte Belina strahlend hinzu. »Monatelang ging er herum mit einem Gesicht wie drei Tage Regenwetter, glaubte dich verloren. Ich habe ganz vergessen, dass ihr beide ja eine Weile zusammen für Caratac gearbeitet hattet, als er mit den südlichen Stämmen kämpfte. Ihr müsst euch sehr nahe gestanden haben«, plapperte sie munter weiter.
Nahe, ja …, dachte Lhiannon. So nahe wie Blut und Atem einem Menschen sind. Er lebt, und bald werde ich ihn sehen! Als sie um die Granitklippe bogen, atmete Lhiannon tief durch, erzitterte leicht, als sie durch die kalte Meeresbrise für einen kurzen Augenblick den süßen, grünen Hauch der Insel dahinter schnupperte – die Verheißung für eine sichere Zuflucht mitten im Grau des Meeres. Hinter den Bäumen konnte sie die blauen Wasser der
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