Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon
Dann war sie wieder ganz Frau, drehte sich wieder zu ihm um, entblößte vor seinen Augen ihre festen Brüste, die sein Kind gesäugt hatten, strich mit den Händen über ihren Bauch, umkreiste den Mutterschoß, der seinen Samen empfangen hatte.
»Komm!«, befahl die Stimme, die die ihre, zugleich aber auch nicht die ihre war.
Der König stand auf, nestelte an der goldenen Schnalle seines Gürtels herum und ließ den gewickelten Rock fallen. Sein Glied war bereits steif und hob sich. Bildete er sich das im Rahmen des Rituals nur ein, oder war er tatsächlich großzügiger bestückt als andere Männer? Die Menge ließ laute beifällige Rufe ertönen, als er auf sie zuging. Da sie die Göttin war, erschien er als das Bild eines Gottes.
»Komm und diene mir«, flüsterte sie. Und die Energie entflammte beide, als er ihre Hand nahm.
Vor ihnen teilte sich die Menge, öffnete einen Pfad. Und dahinter wartete ein gepflügtes Feld, das heute Nacht ihr Bett sein würde.
»Ich wünschte, du würdest nicht von uns gehen«, sagte Boudicca, hob den Reiseumhang auf, den Lhiannon gerade gelüftet und ausgeschüttelt hatte, und faltete ihn zusammen. In Dun Garo hatten die Königin und ihre Frauen ein sogenanntes Sonnenhaus zur Verfügung, das kreisförmig mit einem nach oben offenen Innenhof gebaut war, sodass immer Tageslicht einfiel. Das Licht genoss Lhiannon sehr, doch die Gesellschaft von so vielen schnatternden Frauen ging ihr zuweilen mächtig auf die Nerven. Aber hier draußen war mehr Platz, um all die Dinge zusammenzupacken, von denen die Königin der Meinung war, dass sie mit auf die Reise mussten.
»Wir brauchen dich hier, Lhiannon. Wir brauchen deine Heilkünste und deine Weisheit«, fuhr Boudicca fort.
Wenn du gesagt hättest: ›Ich brauche dich hier‹, hätte ich es mir vielleicht anders überlegt …, dachte Lhiannon traurig und sagte laut: »Aber nun lebst du ja nicht mehr allein auf dem Gehöft. Du hast hier in Dun Garo Heiler und Weise zuhauf um dich und jede Menge Krieger. Für mich wird es Zeit, dass ich wieder als Priesterin lebe.« Sie nahm der Königin den Reiseumhang aus der nervösen Hand und legte ihn sich über den Arm.
»Aber die meisten Druiden leben bei Stammesführern in einer Feste und lehren nicht in einer Gemeinschaft an einer Druidenschule«, erwiderte Boudicca. »Wenn du deine Weisheit schon in die Köpfe junger Zöglinge pauken willst, dann bleib hier und fange bei Rigana an!« An diesem Morgen war es dem kleinen Mädchen geglückt, ihren Betreuerinnen zu entwischen. Auf den kurzen Beinen war sie bis zu den Werkstätten des Hufschmieds gelaufen, bevor man auf Bogles Bellen aufmerksam geworden war und sie schreiend gefunden hatte, weil der Hund sie davon abhielt, ins heiße Schmiedefeuer zu langen.
»Die Art von Betreuung, die sie derzeit braucht, meistert Bogle sehr viel besser, als ich es je könnte«, antwortete Lhiannon und bückte sich, um ihren Beutel zu schnüren. »Ich gehe doch auch nicht für immer, meine Liebe. Ich komme dich besuchen, wenn sie älter ist, und außerdem kannst du Rigana jederzeit zu uns schicken, um sie ausbilden zu lassen, so wie man einst dich geschickt hat …« Ja, falls es dann überhaupt noch eine Druidenschule gibt, schoss es Boudicca durch den Kopf. Aber letztendlich wusste sie, dass Lhiannon ging, damit diese alles in ihrer Macht Stehende tun konnte, um das zu bewahren, wofür sie lebte.
»Ja, aber …« Boudiccas Worte verstummten. Lhiannon blickte auf und sah den König kommen. Boudicca drehte sich zu ihm um, so wie eine Blume ihren Kopf nach der Sonne dreht. Das war seit dem Beltane-Fest so. Die Ehe war nach langer Zeit schließlich doch noch vollzogen, und zwar im Fleische wie im Geiste. Aus dem Mädchen Boudicca war eine Frau geworden, die ihrem Gemahl ebenso als Priesterin wie als Königin zur Seite stand.
Nein, ich weiß, warum ich gehe, sie braucht mich hier nicht mehr, gestand sich Lhiannon ein, als Boudicca auf Prasutagos zutrat. Was hatte sie sich auch erhofft – dass sie nach dem Verlust des Mannes, den sie liebte, einen Ersatz in Boudicca finden und sich ihre Jungfräulichkeit weiter bewahren könnte? Lhiannon wusste nur allzu gut, dass es nicht der körperliche Kontakt an sich war, der ein Orakel ablenkte, sondern das emotionale Band, welches dieser schuf. Allein durch den Gedanken daran war ihr die Fähigkeit zur Ausübung ihrer Gabe genommen. Ich muss meine Selbstständigkeit wiedergewinnen.
»Lhiannon, bist du fertig?«, rief
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