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Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Titel: Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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gekommen waren. Doch bevor Prasutagos den königlichen Segen erhielt, musste eine viel ältere kultische Handlung vollzogen werden – die Segnung des Beltane-Fests durch die Königin der Pferde. Die Druiden verbanden den König durch die Segnung mit seinem Stamm, und die Göttin verband ihn mit seinem Land. Boudicca war sich noch nicht ganz sicher, ob sie sich der überwältigenden Kraft der Weißen Stute unterwerfen könnte. Und so stand Belina bereit, für den Fall der Fälle einzuspringen. Aber sollte Boudicca versagen, dann bedeutete dies auch das Ende ihrer Ehe.
    Ein Teil ihrer Seele ruhte stumpf und starr in ihrem Körper, ihr panisches Wimmern unterdrückt von jenem Dämmerzustand, der auch ihren Körper reglos verharren ließ. Diesmal, so dachte sie, könnte sie nicht einfach auf ihrer roten Stute ab in die Freiheit reiten. Diesmal würde die Weiße Stute bestimmen, wo es entlangging.
    »So, fertig«, verkündete die alte Frau, und Boudicca senkte langsam den Arm.
    »Komm zurück, meine Liebe.« Vor ihr erschien Lhiannons Gesicht. »Du kannst deine Glieder jetzt wieder lockern. Atme ein und aus, und noch einmal, ein und aus. So ist’s gut – du bist hier bei mir, und gleich beginnt das Ritual. Komm zurück!«
    Boudicca blinzelte und spürte die Sinnesreize langsam wieder durch ihren Körper pulsieren. Sie fühlte die angetrocknete Farbe auf der Haut und hörte das Geschnatter der Frauen, das plötzlich laut in ihre Ohren drang. Die Sonne war mittlerweile versunken, sodass alles ringsum in dunklen Schatten lag. Sie fröstelte. Der Festzug des Königs würde bald eintreffen.
    »Nein!«, hörte sie Nessa zu irgendjemandem am Eingang sagen. »Du kannst sie nicht sehen. Auf gar keinen Fall. Männer haben hier keinen Zutritt, vor allem du nicht! Geh, bevor ich die Krieger rufe, um dich in die Mistgrube werfen zu lassen – und dafür brauchen sie nicht einmal Schwerter!«
    »Wer ist da?«, rief Boudicca.
    »Niemand, der dich zu kümmern braucht«, brummte die alte Frau und seufzte, als sie Boudiccas funkelnden Blick sah. »Nur dieser Pollio … er sagt, er müsse dich unbedingt sprechen.«
    Ihre erste Verärgerung wich einer dumpfen Angst. »Ich werde mit ihm sprechen«, sagte sie mit gesenkter Stimme. »Lhiannon, halte die anderen außer Hörweite, bis ich fertig bin.« Sie trat an den Eingang.
    »Was gibt es? Sprich rasch«, murmelte sie durch das Tuch, das den Eingang verhängte.
    »Lass mich dein Gesicht sehen, Boudicca.« Sie lauschte dem vertrauten atrebatischen Akzent.
    »Um Himmels willen, nein!« Sie errötete, da sie sich plötzlich ihrer Nacktheit bewusst wurde. »Zu alten Zeiten hätte man dich gepfählt und den Raben überlassen, wenn du dich nur einen winzigen Schritt diesem heiligen Ort der Frauen genähert hättest.«
    »Du musst das nicht tun!« Pollio sprudelte die Worte hervor. »Jeder weiß, dass du deinem Gemahl dein Bett verweigerst – du musst dich auch jetzt nicht mit ihm vereinen. Das macht keinen Unterschied. Prasutagos ist König wegen seiner romfreundlichen Politik, nicht wegen irgendeines unzivilisierten Rituals.«
    »Was redest du da?« Seit jenem Tag im Schnee, als er sie zu küssen versucht hatte, hatte sie ihn kaum mehr gesehen, und wenn, dann nie allein. Hatte er sich in irgendeine Phantasiewelt verstiegen, wo er sich einbildete, dass sie ihn allzeit liebte?
    »Verlass deinen Gemahl! Komm mit mir fort von hier!« Seine Stimme drang zischelnd durch das Tuch vor dem Eingang. »Du bist Prinzessin eines königlichen Hauses – ich könnte dich zu einer herrschenden Königin machen, wie Cartimandua!«
    »Du spinnst!«, sagte sie im Brustton der Überzeugung. »Und was du da tust, ist Frevel.«
    »Ich liebe dich, Boudicca! Ich weiß, dass auch ich dir nicht gleichgültig bin.«
    »Oh, ja, in der Tat«, antwortete sie, hielt ihre Wut nur mit Mühe unterdrückt. »Ein Mann, der die Frau eines Verbündeten zu verführen versucht, um ihre Ehe zu verraten, verdient nichts anderes, als dass man ihm mit Verachtung begegnet. Bringt man euch ein solches Verhalten in Rom bei?«
    Ganz unabhängig von ihren eigenen Fluchtgedanken – mit diesem römischen Schwein würde sie niemals gehen! Und in diesem Augenblick erkannte sie, dass die Zerrissenheit ihrer Gefühle gänzlich verschwunden war.
    »Aber meine Liebe …« Doch da hallte der laute Ruf des bronzenen Carynx durch die abendliche Luft und schnitt ihm das Wort ab.
    »Sie kommen! Sie werden dich töten, wenn sie dich hier finden.

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