Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon
Politik«, warf Cunitor ein. »Vielleicht kann ich sie überzeugen, dass jetzt die Zeit wäre, dem Unmut Luft zu machen …«
»Caratac muss wissen, dass wir hinter ihm stehen«, gab Lugovalos zu bedenken.
»Ich werde zu ihm gehen«, sagte Ardanos. »Ich habe ihn schon einmal unterstützt.«
»Deine Verletzungen sind noch nicht alle ausgeheilt, und zudem hast du Familie«, sagte Helve bestimmt. »Du wirst hier gebraucht.«
Ach, so läuft der Hase, dachte Lhiannon. Kein Zweifel, sie und Lugovalos haben sich bereits vorher geeinigt, wie es weitergehen soll, noch bevor man uns einbestellt hat. Doch sie verspürte keinen Wunsch, sich dieser Machenschaft entgegenzustellen. Sie hatte die Beengtheit des Winters durchgestanden, aber sie glaubte nicht, es am gleichen Ort mit Ardanos aushalten zu können, wenn die ganze Welt sich auf den nahenden Frühling freute.
»Ich kann gehen, schicke mich stattdessen.« Sie sah Helve mit einem sanften Lächeln an. »Caratac hat mich vor dem Tod oder gar noch Schlimmerem bewahrt. Ich schulde ihm alle Hilfe, die ich geben kann.«
»Und ich werde sie begleiten«, fiel eine Stimme dazwischen. Sie sah überrascht auf und erkannte Brangenos, der noch grauer und magerer geworden war, sich ansonsten aber nicht groß verändert hatte. »Ein Wanderbarde kommt überall durch, und außerdem bin ich auch als Heiler ausgebildet.«
Lhiannon legte die Stirn in Falten. Sie erinnerte sich, wie er für König Togodumnos vor der Schlacht an der Tamesa gesungen hatte. Und sie hatte von ihm bei den Durotrigern gehört, als Vespasian ihre Gebiete verheert und geplündert hatte. Welche Verheerungen erwartest du denn besingen zu können, wenn wir bei Caratac sind, Barde?
»Gut, dann wäre das geregelt. Ich werde die jüngeren Priester bitten, die Nachricht zu verbreiten.«
Als die anderen sich zum Gehen erhoben, winkte Helve Lhiannon zu sich.
»Wir waren nie die besten Freundinnen«, sagte die Hohepriesterin, als sie allein waren. »Aber glaube mir, wenn ich sage, dass ich dich nicht auf diese Mission schicke, um dich loszuwerden …«
Ach, nein?, wunderte sich Lhiannon. Ich dachte, es wäre deshalb, weil du durch mich deinen Einfluss auf Coventa bedroht siehst.
Aber sie lächelte tapfer.
»Was auch immer in der Vergangenheit zwischen uns gestanden hat, jetzt müssen wir zusammenhalten«, fuhr Helve fort. »Du hast großartige Fähigkeiten, und die Göttin weiß, wie dringend wir jetzt jeden Mann und jede Frau brauchen, die über höhere Kräfte verfügt. Ich habe keine andere Wahl, als jedes mir zur Verfügung stehende Mittel für unsere Sache zu nutzen, egal zu welchem Preis. Weder du noch ich, weder Ardanos noch Coventa oder Lugovalos haben irgendetwas einzuwenden, wenn wir durch selbstlosen Einsatz unsere Gemeinschaft retten können.«
Lhiannon öffnete ihre Bewusstseinsseele ein wenig und war überrascht, nichts als völlige Aufrichtigkeit wahrzunehmen. Helve glaubte, was sie sagte, und es könnte wirklich auch wahr sein. Vielleicht wuchs sie ja in ihre Aufgabe hinein.
»Verstehe.« Zum ersten Mal zeigte sie der Hohepriesterin ein ehrerbietiges Nicken.
»Pass auf dich auf, Lhiannon, und komme gesund zurück zu uns, wenn deine Aufgabe erledigt ist.«
Boudicca träumte, dass sie auf einem schmalen Pfad durch dicht bewaldete Hügel spazierte, umringt von Männern, die Schwerter trugen. Ihre Kleidung war verschmutzt von Schlamm und Blut, und in ihren Augen flackerte ein fanatischer Glanz. Vor ihr marschierte Lhiannon, genauso dreckig wie alle anderen, aber dem Anschein nach wohlauf und rüstig.
Unterhalb des Hügels lag ein Gehöft, das die Krieger still und leise umzingelten. Unter ihnen erkannte sie Caratac. Als jemand eine Fackel anzündete, funkelte sein goldener Halsring. Sie stürmten zum Angriff, stießen schrille silurische Kriegsschreie aus. Männer rannten aus den Häusern. Frauen schrien, als das Strohdach Feuer fing. Und kurz darauf gab es noch mehr Blutvergießen, und überall lagen Leichen verstreut auf dem Boden. Dann zogen die Angreifer ab, nahmen Vieh und Getreidesäcke mit. Und als sie vorübergingen, drehte sich Lhiannon um. Und da erst schien sie Boudicca zu erkennen.
»So werden wir es mit allen machen, die sich Rom beugen …«
Boudicca merkte, dass sie im Schlaf geweint hatte, als sie die Augen aufschlug und das besorgte Gesicht ihres Gemahls sah. Es musste früh am Morgen sein. Die Tür zum Rundhaus stand offen, und das Sonnenlicht schimmerte durch die rot-gelb
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