Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon
ein Auge auf die Siluren haben konnten.
»Sie ziehen also sämtliche Streitkräfte aus den Gebieten der Trinovanten ab?«, fragte Prasutagos.
»Nicht ganz«, berichtete Esico lispelnd. »Sie wollen die Festung in eine Art römische Stadt verwandeln und Soldaten dort stationieren. ›Siegeskolonie‹ nennen sie es.« Er spuckte die Worte geradezu. »Sie haben bereits Männer ausgesucht, die ihnen beim Bau helfen … und das, wo die Ernte ansteht …« Er schüttelte den Kopf. »Die Trinovanten sind darüber nicht erfreut, aber was können sie tun?«
Was können wir anderen tun, dachte Boudicca, außer weitermachen?
»Die Römer legen großen Wert auf stattlich erhabene Gebäude …«, sagte Prasutagos bedächtig, als Esico ging. »Sie halten sie für Kennzeichen der Zivilisation.« Boudicca sah ihn argwöhnisch an, bemerkte ein begeistertes Leuchten in seinen Augen.
»Die Römer werden uns nie erlauben, Wehranlagen zu bauen. Was also schwebt dir vor?«, fragte sie vorsichtig.
»Nichts aus Stein …«, sagte er. »Nichts, was sie als Bedrohung erachten könnten. Aber ich denke gerade daran, wie die Römer ein zweites Stockwerk auf ihre Häuser setzen, und ich glaube, genau auf diese Weise könnten wir ein Rundhaus bauen, ein Haus mit zwei Ebenen.« Boudicca sah ihn fragend an. Sie hatte keinerlei Vorstellung, wovon er redete, Prasutagos dagegen umso mehr – das war offensichtlich. »Wir räumen ein paar Gebäude leer, verlegen die Weberschuppen auf einen benachbarten Hof und richten eine eigene Münzstätte ein. Und dann errichten wir einen hübschen Damm und einen Graben um das Ganze.«
»Soll das heißen, du willst dich mit König Cogidumnos messen?«, lachte sie. »Der baut doch gerade einen römischen Palast in Noviomagus.«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich baue rein keltisch, nur … größer.« Er lächelte verschmitzt, und Boudicca seufzte.
Die Anhöhe, auf der die Festung lag, ragte hoch genug, um den Fluss gut überschauen zu können, hinter dem am Horizont die Heideländer in der Morgensonne leuchteten. Der friedliche Anblick ließ die Gewalt ihrer nächtlichen Träume umso unwirklicher erscheinen – oder war das hier der Traum? Sie seufzte, und Bogle hob den großen Kopf von ihrem Fuß und verlagerte ihn auf den anderen. Sie wackelte mit den eingeschlafenen Zehen, um den Blutfluss wieder anzukurbeln. Der Hund, der seinen Beitrag zur allgemeinen Nahrungsbeschaffung ja schon geleistet hatte, fühlte sich nun eindeutig berechtigt, vor sich hin zu dösen.
Doch im nächsten Augenblick hob er den Kopf erneut, spitzte die Ohren, schob sich unter dem Tisch hervor und machte ein paar Schritte auf das Tor zu.
»Erwarten wir Gäste?«, fragte Prasutagos. Der Hund hatte die erstaunliche Fähigkeit entwickelt, zwischen ankommenden Fremden und dem hiesigen Volk zu unterscheiden.
»Offenbar Bekannte«, bemerkte Boudicca, als Bogle freundlich mit dem zotteligen Schwanz wedelte.
Wenig später kam einer der wachhabenden Krieger durch das Tor und vermeldete, dass drei Frauen und ein Mann den Weg heraufgeritten kamen.
»Klingt kaum gefährlich«, sagte Prasutagos und strich sich über den Bart, um ein Schmunzeln zu verbergen. »Bitte sie doch herein.«
Neugier wich Verwunderung, als drei Frauen am Eingangstor erschienen. Boudicca hatte im Stillen gehofft, Lhiannon sei darunter. Doch der lockige Blondschopf, den sie als Erstes sah, war ihr fast genauso lieb.
»Coventa!« Sie stockte, als sie auch Belina und Helve erkannte, die dahinter standen, und bremste sich ein wenig, um sich ein für eine Königin etwas geziemenderes Auftreten zu geben.
»Meine Herrin!« Ihr Kopfnicken war wohl bedacht, um eine gewisse Ebenbürtigkeit zu vermitteln. »Welche Ehre!« Während sie ihre Bediensteten anwies, Speisen und Getränke zu bringen, musterte sie die drei verstohlen, bemerkte, dass Coventa ordentlich gewachsen war und Helve zwar ein wenig matronenhafter erschien, aber immer noch wunderschön war, obwohl sie ein paar Gesichtsfalten bekommen hatte. Kein Wunder, dachte Boudicca im Stillen, die vergangenen Jahre waren für alle nicht leicht gewesen. Und dann erhellte ein Lächeln ihr Gesicht, als sie den Begleiter erkannte – Rianor. Wie die anderen trug auch er gewöhnliche Kleidung.
»Du fragst dich bestimmt, was wir hier wollen«, sagte Belina, als sie bei Fladenbrot und römischem Wein beisammensaßen. »Da die Römer beschäftigt sind mit dem Bau neuer Festungen an der Sabrina, scheinen die Wege sicher genug,
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