Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Titel: Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
Vom Netzwerk:
bedeutet, sie der Gefahr auszusetzen, als mögliche wertvolle Geiseln von den Römern gefangen genommen zu werden. Hin und wieder sah einer der Männer auf, wenn sie am Feuer vor seinem Zelt vorbeiging, und sie lächelte. Ein tröstendes Lächeln schenkte sie gern, dabei vergab sie sich nichts. Aber wer tröstet mich?, fragte sie sich.
    Doch diesen Gedanken verwarf sie gleich wieder. In den ersten Monaten mit Caratacs Heer war sie nach einem Tagesmarsch immer derart matt und müde gewesen, dass sie am Abend an nichts außer an Schlaf hatte denken können. Doch nun, nach über zwei Jahren Marsch- und Lagerleben, war sie genauso robust und stark wie jeder der Männer. Und beim Gedanken an eine bevorstehende Schlacht konnte sie nur schwerlich Schlaf finden. Aber sie musste es versuchen. Vielleicht hatte sie ja Glück und träumte nicht.
    Einige Männer träumten von Reichtum und Ruhm. Prasutagos träumte von Gebäuden – wie seine Frau inzwischen begriffen hatte. Wenn Boudicca den Rauchkringeln hinterhersah, die nach oben stiegen, dann musste sie noch immer blinzeln vor Staunen über die Höhe, die das zweite Stockwerk dem neuen Rundhaus verliehen hatte. Der Raum um den Feuerherd war groß genug, dass alle Stammesführer dort Platz fanden; Trennwände zogen sich von den Hauptstützen zu den Außenwänden, wodurch geräumige Kammern entstanden waren. Im ganzen keltischen Land gab es nichts, was mit dem zweigeschossigen königlichen Domizil vergleichbar gewesen wäre.
    Sie hatten ihr neues Heim erst einen Monat zuvor bezogen. Und zwischen Holzrauch und Hammeleintopf hing immer noch ein Hauch von Kalktünche und frischem Stroh in der Luft. Für die Kinder aber, für die eigentlich die ganze Welt aus Wundern bestand, war das neue Haus, das ihr Vater erbaut hatte, inzwischen ein gewohntes Wunderwerk geworden. Für sie war im Augenblick die größte Sorge die, das allabendliche Zubettgehen so lange wie möglich hinauszuzögern.
    »Eine Geschichte noch, Mama«, bettelte Rigana. »Erzähle uns eine von deinen Geschichten, die du auf der magischen Insel erlebt hast!« Und die kleine Tilla klatschte fröhlich in ihre Händchen.
    Boudicca lächelte bei dem Gedanken, dass sie das überlieferte Wissen, welches die Druiden sie mit solch feierlichem Ernst gelehrt hatten, nun hauptsächlich als ergiebige Quelle für Kindermärchen nutzte. Und doch waren die Geschichten der Urquell ihrer Religion. Und es war in diesen Tagen wichtiger denn je, dass ihre Kinder sie kennenlernten, wo sich nicht wenige im Land den siegreichen römischen Göttern zuwandten.
    »Also schön – da es Sommer ist, will ich euch von einem der Götter erzählen, der die Dinge wachsen lässt. Er spielt die Harfe, um die Jahreszeiten zu befehlen, und in seinem Obsthain hängen die Bäume immer voller Früchte. Wir nennen ihn Dagdevos, den Gütigen Gott, Vater aller, oder den Roten Allwissenden, den Guten Kämpfer – er kann einfach alles. Er gehört zu den Lichtgöttern.«
    »Wie Papa«, sagte Tilla, nicht auf den Kopf gefallen.
    »Ja, genauso wie Papa«, stimmte Boudicca zu, während ihr Mann neben ihr errötete. »Als böse Kreaturen in sein Land einfielen, bürdeten sie ihm ganz viele Aufgaben auf, die er bestehen musste. So etwa musste er gallonenweise Brei essen, doch er schaffte es, obwohl sein Bauch danach so voll war, dass seine Tunika fast platzte.«
    Die Mädchen sahen ihren Vater ungläubig an und brachen schließlich in schallendes Gelächter aus. Auch Bituitos musste lachen. »Und sein Bauch war nicht das Einzige, das er mit sich herumschleppte, wie ich gehört habe«, meinte Eoc flüsternd, und abermals ertönte schallendes Gelächter.
    »Ah, meinst du seinen Knüppel?«, fragte Boudicca unbedarft. »Wenn er mit dem einen Ende zuschlägt, ist man auf der Stelle tot, aber wenn er dich mit dem anderen Ende berührt, dann wird man wieder lebendig.«
    »Und dieses Ende benutzt er für die Herrin der Raben«, konterte Prasutagos. »Sie mag zwar die Göttin des Krieges sein, aber er hat die Waffe, sie zu bezwingen …«
    »Doch die beste Waffe, die er besitzt, ist ein magischer Kessel«, sagte Boudicca, und jetzt war sie es, die errötete. »Manche sagen, es ist der gleiche Kessel, in den man die toten Krieger wirft, damit sie wieder lebendig werden, doch andere sagen, er kann ein ganzes Heer speisen und zaubert alle Gerichte hervor, die man sich wünscht.«
    »Auch Honigkuchen?«, fragte Rigana.
    »Und Blaubeeren mit Rahm?«, rief ihre Schwester

Weitere Kostenlose Bücher