Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon
dicht über Bogle, versuchte, ihn zu trösten und zu beruhigen, während er in ihren Armen zuckte und zitterte.
»Die müssen ganz vorsichtig sein, wenn sie ihn hochheben«, sagte Argantilla, als Bogle plötzlich ganz steif wurde, sich wieder entspannte und erneut zu zittern begann.
»Oh, mein armer Kleiner«, flüsterte Boudicca. »Sei ruhig, sei friedlich. Auf den Feldern von An-Dubnion wimmelt es von Hasen, und Arimanes liebt gute Jagdhunde … .«
In jenen Jahren, als die Römer ihre Brüder sowie unzählige andere Männer getötet hatten, war sie vom Tod zwar umgeben, nie aber hautnah dabei gewesen. Jetzt aber blieb ihr keine andere Wahl, als ihn mit offenen Armen anzunehmen.
»Du warst ein guter Hund, Bogle, ein guter Hund …« Es schnürte ihr vor Schmerz die Kehle zu. Danke für all deine Liebe, die du mir geschenkt hast …
Der zottige Schwanz schlug dumpf auf den Boden. Sie hielt ihn ganz fest, als er sich noch einmal verkrampfte und dann ganz still war.
»Wir haben eine Trage gebaut, Königin. Sollen wir den Hund zum Haus tragen?«
Boudicca richtete sich auf, froh, dass sie da waren, obgleich sie sich in diesem Augenblick nicht an ihre Namen erinnern konnte.
»Nein. Wir müssen erst einen Platz finden, wo wir ihn begraben«, flüsterte sie, und Tilla begann zu weinen. »Sind die Bodenlöcher für die Torpfosten schon ausgehoben?« Die Männer nickten. »Gut, dann begraben wir ihn dort. Dort kann er uns weiterhin bewachen. Und in den Torgiebel schnitzen wir seinen Kopf.«
Da fielen ein paar Tropfen auf das weiße Fell des Hundes, und sie dachte, es hätte zu regnen angefangen. Aber es waren nur ihre Tränen.
ZWANZIG
Am Samaine-Fest stehen die Türen offen zwischen dem alten Jahr und dem neuen, zwischen den Lebenden und den Toten, zwischen den Welten. In diesem Jahr stand auch das neue Tor von Dunford offen. Fackeln steckten im Boden vor den Pfählen, an denen die zum Fest geopferten Viehköpfe aufgehängt waren. Der Bau des inneren Walls und des Grabens waren vollendet, obgleich die Palisade noch nicht ganz fertig war. Prasutagos plante zusätzlich einen äußeren Wall, dazwischen einen ganzen Pfahlwald. Nur die Götter wussten, wie lange dieser Bau dauern würde.
Es war die Jahreszeit, in der die Herden zurück auf ihre heimatlichen Weiden getrieben wurden. In der kommenden Woche, wenn sie jene Tiere auslesen würden, die sie den Winter hindurch nicht behalten konnten, würde die Luft erfüllt sein von Blutgeruch. Doch jetzt, da Boudicca zusah, wie das Sonnenlicht langsam im Westen verglomm, wehte der Wind den Duft von geröstetem Fleisch und Holzrauch heran, und es roch nach noch mehr Regen.
»Mutter, was tust du? Wir warten auf dich!« Rigana war gerade elf geworden und schien mit jedem neuen Mond größer zu werden. Und mit der körperlichen Größe wuchs offenbar auch die feste Überzeugung, dass sie ihre Eltern nicht so wichtig zu nehmen brauchte, was diese wiederum abwechselnd ärgerte und amüsierte. Boudicca ihrerseits war überzeugt, dass sich das früher oder später wieder legen würde, und erinnerte sich, dass sie im gleichen Alter ganz ähnlich gewesen war,
Nun, Mama, es rächt sich eben alles, dachte sie mit einem inneren Schmunzeln. Und vielleicht hörte sie der Geist ihrer Mutter heute Abend ja.
»Ja, ich komme schon, mein Liebes«, sagte sie friedfertig und folgte ihrer Tochter in die zweigeschossige Festhalle.
Prasutagos hatte bereits auf seinem geschnitzten Stuhl auf der anderen Seite des Feuers Platz genommen. Ihr Stuhl stand neben ihm, doch dann kamen zwei Stühle, die leer blieben für ihre Mutter und ihren Vater. Die königliche Wache und alle Bediensteten des königlichen Haushaltes setzten sich ebenfalls auf ihre Plätze. Aber es blieben auch andere Plätze leer; einer der Krieger hatte einen tödlichen Sturz von seinem Pferd erlitten, und die Frau eines anderen hatte gerade eine Totgeburt hinter sich.
Ein ganz gewöhnliches Jahr, dachte sie, nicht wie der Herbst nach ihrer Hochzeit, als das Fest so gut wie ausgefallen war wegen Prasutagos’ Bruder und all den anderen Männern, die in der Schlacht an der Tamesa gefallen waren. Wenn die Götter gütig waren, würde sie nie wieder ein solches Samaine-Fest wie damals erleben müssen.
Prasutagos sah sie mit einem besorgten Stirnrunzeln an, und sie rang sich ein Lächeln ab. Das Fest war heilig und in den meisten Jahren nicht von Trauer und Leid begleitet. Die Druiden lehren, dass die Jenseitige Welt nur einen
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