Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon
blieb ernst. Gewiss – was auch immer die Druiden getan hatten, um dem Schicksal zu entkommen, welches die Seherin vorhergesagt hatte, es hatte letztendlich bloß zu seiner Erfüllung beigetragen. Würden da nicht auch all die Anstrengungen, die sie zur Rettung ihres Volkes unternahmen, am Ende nur Unheil bringen? Trotz der Wärme des Tages fühlte sie ein Frösteln.
Der Morgen war klar, doch ein kalter Wind trieb Wolken vor sich her. Die Frühjahrssonnwende bringt stets unruhiges Wetter, dachte Boudicca und lud sich einen Stoß Bettzeug auf den Arm, den sie aus dem zweigeschossigen, großen Haus in das neue Rundhaus gleich nebenan trug, das neue private Heim der Frauen. Die Gänse zogen nach Norden, und die königliche Familie zog aus ihrem zweigeschossigen Domizil aus. Wie schön, dachte sie säuerlich. So konnte sie wenigstens wieder einschlafen, ohne das Stimmengewirr der Männer im Ohr, wenn sie mal wieder spätnachts um den Feuerherd saßen und über dies und jenes debattierten.
»Mama! Bogle ist weg!«
Boudicca drehte sich um und sah Argantilla, die aufgelöst herbeieilte.
»Er ist alt, Liebes. Ich bin sicher, er hat sich nur ein ruhiges Plätzchen gesucht, um sein Nickerchen zu halten«, sagte sie, obwohl ihr schleierhaft war, wo dieses Plätzchen sein könnte, denn im Haus ging es drunter und drüber, und draußen herrschte ebenfalls ein Heidenlärm, da Bauarbeiter rings um das Gelände Wälle anlegten und Gräben aushoben. Ihr altes Domizil, an das die neu errichteten Rundhäuser grenzten, sollte fortan als neues Ratsgebäude dienen.
»Aber ich habe schon überall gesucht!« Mit ihren acht Jahren war Argantilla eine ganz schön eigensinnige, verantwortungsbewusste kleine Persönlichkeit. Sie hatte das dicke, helle Haar ihres Vaters und im Augenblick vor lauter Aufregung einen ganz roten Kopf. Zum einen war es erleichternd, wenigstens eine verlässliche Tochter zu haben, die immer wusste, wo sie ihre Schuhe am Abend zuvor ausgezogen hatte, zum anderen aber konnte Tilla einem auch mächtig auf die Nerven gehen mit ihrer renitenten Art.
»Nein, hast du nicht«, sagte Boudicca mit scharfer Zunge. »Sonst hättest du ihn gefunden. Und so lahm, wie er inzwischen ist, kann er nicht weit sein. Frag deine Schwester, sie soll dir suchen helfen, oder frag Caw.«
»Rigana ist auf ihrem Pony unterwegs und hilft den Männern, die Kühe einzutreiben«, sagte Tilla trotzig. »Und ich glaube, Caw guckt dem Schmied zu.«
Als römisches Stadtkind war das Reiten für Caw nicht etwas so Selbstverständliches wie für ihre beiden Mädchen, die auf einem Pferd gesessen hatten, noch bevor sie die ersten Schritte getan hatten, dafür war er handwerklich sehr geschickt. Argantilla hielt ihn noch immer für ihre Entdeckung, und er im Gegenzug verehrte sie als seine kleine Retterin. Sobald Tilla rief, würde er alles andere stehen und liegen lassen. Da hatte Boudicca keinen Zweifel.
»Dann hol ihn, mein Spross«, sagte sie. »Sucht den Hund, und danach könnt ihr mir hier zur Hand gehen.«
Eigentlich wollte auch Prasutagos beim Umzug helfen, bis ihm dann einfiel, dass er noch dringend zu Drostac nach Ash Hill musste, einem Stammesführer der Icener. Und so blieb der Umzug an Boudicca und den Mädchen hängen. Bis auf ein paar Dinge, die Prasutagos am Abend noch brauchen würde, musste die gesamte Ausrüstung des Königs hinüber in das Männerhaus auf der anderen Seite geschafft werden. Die Götter allein wussten, wie er und seine Dienerschaft das ganze Zeug dort unterbringen wollten, aber das war nicht ihr Problem. Sie war ein wenig sauer gestimmt, denn eigentlich hätte sie am liebsten ein Haus gehabt mit viel Platz für sich und ihn ganz allein.
Prasutagos war nun Hochkönig. Und eigentlich war es die Zeit im Jahr, da sich König und Königin auf die Reise durch die Gebiete ihrer Stämme begaben. Doch jetzt, wo er Hochkönig war, so dachte sie, könnten sie nie wieder so allein und zweisam sein wie damals, als sie in der Hochzeitsnacht ausgerissen war und ihn am Morgen, nachdem sie die Augen aufgeschlagen hatte, am Feuer hatte sitzen sehen, wo er das Frühstück zubereitet hatte. Sie lächelte, schwelgte in der Erinnerung, gab sich dann einen Ruck und stapelte sich einen neuen Stoß Bettzeug auf den Arm.
Sie war gerade fertig, ihre Sachen zu ordnen und zu verstauen, und dabei, mit Temella das große Bett herzurichten, als Caw plötzlich in der Tür stand. Das Bett war neu, und sie freute sich schon darauf, es mit ihrem
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