Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon
Strohhut auf dem Kopf, den er tief in die Stirn gezogen hatte.
»Sei gegrüßt, Wanderer«, sagte sie, als er näher kam und vor ihr stehen blieb. »Nein, ist nicht wahr – Rianor!«, rief sie, als er den Hut abnahm. An seinem Bart und der kahl rasierten Stirn erkannte sie, dass er inzwischen ein voll ausgelernter Priester war. »Ich hoffe, du bist gekommen, um uns in Ramshill zu besuchen. Wenn nicht, werden meine Hunde und ich dich kurzerhand entführen.«
»Solange deine Meute nicht bei Arimanes in der Unterweit ausgerissen ist«, sagte er und lächelte in einem fort. »Die sehen ja schon ein bisschen so aus, wirken aber ganz lieb. Aber dein alter Bogle kann das da nicht sein, es sei denn, er ist in das Land der Ewigen Jugend gegangen und zurückgekehrt …«
»Fast. Der da wurde geboren, als er starb, und wie du siehst, gleicht er ihm fast bis aufs Haar.« Der Hund hatte sich so reibungslos in ihr Leben eingefügt, dass sie auch ohne die Prophezeiung der Weißen Stute geglaubt hätte, dass er ein Nachkömmling von Bogle war.
»Irgendwie hat Lugovalos in seinen Lehrstunden nie etwas über die Wiedergeburt von Hunden erzählt, doch anscheinend gibt es die.« Rianor schmunzelte.
»Aber sag, was tust du hier?«, fragte Boudicca, als sie auf dem Weg zum Gehöft waren.
»Nun, da ich offenbar zu jenen gehöre, die jung und rüstig bleiben, trage ich hauptsächlich Neuigkeiten und Botschaften durch das Land. Und wenn mir der Boden fruchtbar scheint, streue ich ein paar Samen aus, auf dass sie in den Herzen der Menschen zu einem Aufstand keimen mögen und aufgehen, wenn die Sterne günstig stehen und die Zeit gekommen ist. Du weißt ja, ich habe gelernt, Erinnerungen zu bewahren …« Er lächelte. »Wie auch immer – darum bin ich hier.«
»Wie? Ich hoffe nicht, dass du mich zum Aufstand überreden willst?«, sagte sie, aber er schüttelte den Kopf.
»Nein – ich habe eine Nachricht für dich – von Herrin Lhiannon.«
»Hast du sie gesehen? Wo ist sie? Geht es ihr gut?«
Rianor hob die Hand, um sie zu bremsen. »Ich bin nach Eriu gereist, und ich hoffe, einmal und nie wieder. Das Meer und ich, wir passen nicht zusammen. Aber ich habe sie tatsächlich gesehen, und es geht ihr gut. Sie lebt in einer Druidengemeinschaft im Königreich von Laigin. Und wirklich wahr, diese Druiden dort sind erstaunlich, so zahlreich und mächtig, dass sie es sich sogar leisten können, sich gegenseitig zu bekriegen, wenn sie nicht gerade ihre magischen Fähigkeiten nutzen, um ihre Könige zu unterstützen. Sie leben noch genauso, wie wir gelebt haben, bevor die Römer kamen.«
»Und sie hat dir eine Nachricht für mich mitgegeben? Dann lass sie mich wissen! Meine Mädchen sind jetzt gerade in dem Alter, wo sie leicht für dich ins Schwärmen geraten könnten. Sobald sie mitbekommen, dass du da bist, werden wir zwei keinen ungestörten Augenblick mehr haben, weil sie dich löchern werden und keine Ruhe geben, bis du ihnen alles über deine Wanderungen erzählt hast.«
»Sehr schön.« Sie waren inzwischen am Wald unterhalb des Gehöfts angelangt, wo Rianor sich auf einen gefällten Baumstamm setzte und die Augen schloss. »Dies sind die Worte der Priesterin Lhiannon an Königin Boudicca.« Seine Stimme bekam eine hellere Klangfarbe, als hätte Lhiannon ihn mit ihrem Geist wie auch mit ihren Worten durchdrungen.
»Meine Liebe, ich nutze diese Gelegenheit, um dir eine Nachricht zukommen zu lassen von jemandem, den du sehr gut kennst. Er wird dir sagen, dass es mir gut geht und ich glücklich bin. Es fiel mir sehr schwer, Britannien zu verlassen, aber ich bin froh, dass ich nun hier bin. Ich habe eine Menge gelernt, das ich mit dir, so hoffe ich, eines Tages teilen kann. Doch die eigentliche Neuigkeit ist die, dass ich eine Tochter habe – nein, keine aus meinem eigen Fleisch und Blut, sondern ein kleines Mädchen, das ich eines Tages weinend auf dem Marktplatz gefunden habe. Ihr Haar glänzt schwarz wie die Schwingen einer Amsel, und ihre Augen sind blau wie das Meer. Ihre Eltern hatten ein Haus voll Kinder, die sie nicht alle satt bekamen, und waren glücklich, sie mir verkaufen zu können.
Meine kleine Caillean (das bedeutet ›Mädchen‹ in der Sprache von Eriu) weiß nicht, wann sie geboren wurde, aber ich glaube, sie muss in etwa so alt sein wie deine jüngere Tochter. Es ist schwer zu sagen, denn sie war stark unterernährt, als ich sie gefunden habe, obgleich sie jetzt bei gutem Essen und fürsorglicher Liebe rasch
Weitere Kostenlose Bücher