Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon
fertig!«
Boudicca leckte den letzten Rest Rindfleisch und Bohnen vom Löffel und betrachtete ihren Mann, der auf der anderen Seite des Feuerherds ebenfalls seinen Essnapf auskratzte. Zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, sah er alt aus. Am früheren Nachmittag waren er und seine Männer heimgekehrt und zuerst einmal beschäftigt gewesen, die Pferde abzuladen – Säcke und Bündel voller Waren und Geschenke, die sie aus Colonia mitgebracht hatten. Rigana bekam Zaumzeug aus rotem Leder mit bronzenen Beschlägen für ihr Pony und Argantilla Stickgarn in allen möglichen Farben. Sie war mit Nadel und Faden weit geschickter als ihre ältere Schwester und in der Tat auch sehr viel besser als Boudicca. Sie hätte sich gewünscht, dass Rianor bis zur Rückkunft des Königs geblieben wäre. Es wäre interessant gewesen, seine Nachrichten mit denen zu vergleichen, die Prasutagos mitgebracht hatte, wie auch immer die lauten mochten … denn mit irgendetwas hielt er hinterm Berg, das spürte sie. Er wartete wohl, bis sie allein waren. Sicherlich etwas Politisches, dachte sie bedrückt. Andernfalls hätten es die Männer schon erzählt. Prasutagos aber blieb schweigsam, was die anderen auf seine Müdigkeit schieben mochten. Und er wirkte in der Tat müder, als er es sonst nach einem so langen Ritt war. Doch nach sechzehn Jahren Ehe sagte ihr sein Schweigen mehr als alle Worte.
Boudicca liebte das verschwommen rötliche Licht, das ihre Bettstatt erleuchtete, wenn der Schein der glühenden Kohlen des Herdfeuers durch die Vorhänge schimmerte. Es war weder hell noch dunkel und machte aus ihrem Bett einen Ort, der geschützt und abgeschieden vom Rest der Welt war. Sie stützte sich auf einen Ellbogen und blickte auf ihren Mann, der neben ihr lag, strich ihm sanft eine Strähne seines dünner werdenden Haares zurück und küsste ihn auf die Stirn.
»Ich habe dich vermisst«, sagte sie leise und küsste seine Lippen. Er zog sie an sich, und der Kuss wurde leidenschaftlicher.
Als sich ihre Lippen wieder lösten, kuschelte sie sich an ihn, nahm ihre gewohnte Stellung ein, legte den Kopf auf seine Schulter, einen Arm über seine Brust und lauschte seinem Atem.
»Und ich dich«, murmelte er. »Ich habe es vermisst, dich in den Armen zu halten, und ich habe es vermisst, dir nach dem Treffen alles erzählen zu können.«
»Ja? Nur zu! Was bedrückt dich denn so, dass du es für dich behältst, seit du wieder da bist?« Ihre Hand wanderte über den Muskel an seiner Schulter, erkundete seine Linien.
»Merkt man mir das so sehr an?«
»Ich merke es dir an.« Sie zupfte an einem Brusthaar. Er zuckte zusammen und lachte dann.
»Geld.«
Sie hielt im Streicheln inne. »Was meinst du? Die Ernte dieses Jahr war doch gut …«
»Um den Reichtum anzuhäufen, den wir bräuchten, müsste jedes einzelne Korn in jedem Jahr aus Gold sein …«, seufzte er. »Die kaiserlichen Darlehen werden nun zurückgefordert – erinnerst du dich, all die angenehmen Gelder, die uns von Claudius und seinen Patrizierfreunden im Jahr der Überschwemmungen zur Verfügung gestellt wurden, dazu das ganze Geld, das wir geliehen haben, um Dunford auszubauen. Die Männer, die nun unter dem jungen Nero herrschen, wollen ihr Geld zurück. Sie sagen, dass Seneca vierzig Millionen Sesterze an britische Stammesführer verliehen habe. Zudem ist es sehr kostspielig, hierzulande ein so großes Heer zu unterhalten, und die Minen haben sich auch nicht als so reich erwiesen wie gedacht. Der neue Prokurator, Decianus Catus, scheint gewählt worden zu sein, weil er hart durchgreifen will.«
»Aber kann der Statthalter ihn da nicht am kurzen Zügel halten?« Zerstreut starrte sie auf den Baldachin über der Schlafstatt.
»Varanius ist tot. Ein Mann namens Paulinus ist bereits unterwegs, aber wir wissen nicht, wie seine Politik sein wird. Einstweilen liegen die Ämter bei Catus.«
»Catus und Clotho …« Sie schauderte, erinnerte sich an die Bedeutung des Namens des Prokurators. »Der eine überlegt, wie er uns übers Ohr haut, und der andere bemisst den Preis. Die beiden sind bestimmt ein hervorragendes Gespann.« Im Geiste zählte sie bereits Vieh und Vorräte, fragte sich, was sie verkaufen oder sonst entbehren könnten. Die Vorhänge um ihre kleine, abgeschiedene Welt schienen kein sicheres Wehr mehr zu sein.
»Ich glaube, Rianor wusste sehr wohl, dass er hier gar nicht anfangen brauchte, von Aufstand zu reden, aber andernorts findet er bestimmt geneigte Ohren«, sagte
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