Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon
Prasutagos schließlich. »Bislang hofft jeder, dass es ihn nicht schlimm treffen wird, aber sobald die Enteignungen beginnen, wird ein Funke genügen, um das Land in helle Flammen zu setzen. Die Stimmung im Rat war am Ende ganz schön gedrückt.«
»Irgendwie werden wir das Geld schon zusammenbekommen. Ein Aufstand bringt nur weiteres Unglück über das Land.« Boudicca setzte sich auf, legte die Hände auf seine Schultern, streichelte sie. Seine Augen leuchteten im schummrigen Licht. »Und im kommenden Jahr werde ich mit dir auf die Ratsversammlung gehen. Ich will nämlich nicht, dass du wieder nach Hause kommst und aussiehst wie etwas, das Bogle aus dem Sumpf hereingeschleift hat.« Sie streichelte seine starken Brustmuskeln, dann seinen Bauch, als wolle sie ihn mit ihrer Berührung neu beleben. »Ich glaube, da regt sich schon was.« Er versuchte ein Lächeln, sein Atem ging unruhiger, als sie mit der Hand tiefer und tiefer fuhr, die hohle Hand um sein Gemächt legte. Und als es anschwoll und sich aufrichtete, setzte sie sich auf ihn und hieß ihn weich und warm willkommen.
EINUNDZWANZIG
Seit dem Fest der Brigantia hatte es geregnet, ein weicher, anhaltender Niederschlag, der eine alles durchdringende Feuchtigkeit hinterließ, als ob sich Himmel und Erde in Urschlamm auflösten. Wenn das so weiterginge, dachte Boudicca bei sich, dann würde Dun Garo bald in den Fluss abrutschen. Die schneidende Kälte des Winters wäre ihr lieber gewesen.
Vom Eingang der Weberhütte aus konnte sie auf den schlammigen Weg hinunterblicken. Die Bäume jedoch verschwanden im Dunst dahinter. Bei solch einem Wetter würde sie nicht einmal sehen können, wann Prasutagos kam, bis er an der Pforte war. Verdammt – er müsste längst zurück sein! Drostac aus Ash Hill wartete seit zwei Tagen schon auf sein Urteil in einer Grenzstreitigkeit. Obgleich er ihre Amtsbefugnis als Königin anerkannte, wollte Boudicca dennoch den Rat ihres Gemahls abwarten.
An diesem Morgen war eine kleine Gruppe von Menschen aus den Ländern der Trinovanten angekommen, deren Gehöfte durch einen römischen Amtsträger enteignet worden waren. Er hatte sie an einen seiner Untergebenen überschrieben.
Es war schlimm, aus dem eigenen Land vertrieben zu werden, wo man jeden Geist in jedem Stein und jedem Bach beim Namen kannte – und es war noch schlimmer, in das Gebiet eines anderen Stammes fliehen zu müssen. Aber die Trinovanten hatten nun keinen eigenen König mehr. Würde Prasutagos sie unter seine Fittiche nehmen? Konnte er das überhaupt, fragte sich Boudicca, wo die eigene Lage bezüglich ihrer Mittel und Vorräte ebenfalls angespannt war? Angesichts der Bauvorhaben des Königs und der den Römern geschuldeten Steuerlast blieb in der Schatzkammer nicht viel übrig.
Die Geldgier der Römer schien unersättlich. Sie hatte bereits eine große Menge ihres Schmucks verkauft, um ihrem Volk zu helfen. Von den wertvolleren Stücken hatte sie nur Caratacs Halsring aufbewahrt. Er lag versteckt ganz unten in der Eichentruhe – wie zum heimlichen Trotz. Die Römer hatten einen Rechtsanspruch auf Rückzahlung, doch ein Herrscher, der seinem Volk die Schulden in harten Zeiten nicht erließ, wäre in ihrem eigenen Volk schlecht angesehen. Selbst die Römer versorgten ihre Bürger mit Brot. Und das genau war der Unterschied, dachte sie erbittert. Die Römer ernährten ihr eigenes Volk, doch trotz all der schönen Worte über die Vorteile der Zugehörigkeit zum Römischen Reich waren die Britannier noch immer ihre Feinde.
Boudicca ließ den Türflügel zuschlagen und ging zurück zu ihrem Webstuhl. Temella blickte auf und wusste, dass es besser war, keine Fragen zu stellen, wenn die Königin eine solche Laune hatte. Eine Weile starrte Boudicca auf die blau-grünen Muster vor sich und drehte sich dann unruhig weg. Das Weben erforderte Geduld und Ruhe, und weder das eine noch das andere konnte sie derzeit aufbringen. Sie wollte hinaus, etwas tun, doch bis Prasutagos zurück war, blieb ihr nichts, als abzuwarten.
Da hörte sie Pferdegetrappel und verspürte tiefe Erleichterung, als sie in den Hof einritten. Und als die Hunde bellten, stürmte sie hinüber ins Rundhaus. Dort stand schon Crispus mit dem Bier bereit. Sie nahm ihm den Becher ab und wartete.
Dann wurde die Tür aufgestoßen, ein feuchter Wind blies herein, und Prasutagos erschien, halb gestützt von Eoc, und rechts dahinter sah sie Bituitos. Sofort waren alle Grußworte, die sie sich zurechtgelegt hatte,
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