Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon
aufholt und prächtig gedeiht. Sie ist ganz schön helle und lernbegierig. Ich kann nun nachempfinden, welch große Freude du mit deinen Töchtern hast, wenn ich sie so heranwachsen sehe.
Ich denke sehr oft an dich und hoffe, dich wiederzusehen, auch wenn ich nicht weiß, wann das sein wird. Du kannst Rianor eine Nachricht für mich mitgeben, von dem ich weiß – als er dich vor sieben Jahren das letzte Mal gesehen hat –, dass es dir gut geht und du glücklich bist … und wunderschön. Wenn die Götter gütig sind, wird er mir deine Nachricht überbringen können.
In ewig währender Liebe, deine Lhiannon.«
Einen Augenblick lang schwieg der Druide, dann schüttelte er sich und öffnete die Augen.
»Danke«, sagte Boudicca dann. »An wie viel von dem, was du mir gerade erzählt hast, kannst du dich erinnern?«
»Du musst wissen – wenn eine Botschaft mir in Trance eingegeben wird, dann erinnere ich mich nicht an sie, weshalb es bisweilen ziemlich ärgerlich ist, wenn die Leute noch mehr wissen wollen und ich keinen blassen Schimmer habe, was ich ihnen eigentlich erzählt habe.«
Nun, das erklärte, weshalb Lhiannon so offen sein konnte. »Ja, das stelle ich mir schwierig vor, aber ich bin sicher, dass du mir die Botschaft wahrheitsgetreu übermittelt hast. Es klang, als hätte sie selbst zu mir gesprochen.«
»Da bin ich froh.« Er lächelte sanft.
»Komm jetzt, das Abendessen wartet, und gewiss bist du hungrig. Bist du von Süden hergekommen? Erzähl mir doch unterwegs die neuesten Neuigkeiten aus Colonia!«
Rianor war ein guter Beobachter, hatte eine besondere Gabe, die Dinge zu beschreiben, die er erlebt und gesehen hatte. Alle hatten sich gefragt, was wohl geschehen möge, wenn Kaiser Claudius von seinem Stiefsohn beerbt würde, aber soweit der Druide sehen konnte, war der Tempel, der im Namen des toten Kaisers gerade errichtet wurde, die größte Neuerung in der Stadt. Es schien ihr befremdlich, dass ein Mann, der zu Lebzeiten von so vielen verachtet worden war, im Tode wie ein Gott verehrt wurde, insbesondere, da überall gemunkelt wurde, seine Frau hätte ihn vergiftet. Doch von den Toten behält man nur das Gute in Erinnerung, als wäre alles, was bleibt, der göttliche Geist, der, dem sie den Weihrauch geopfert hatten. Aber, so dachte Boudicca bei sich, die alten Könige, deren Grabhügel in ganz Britannien verstreut lagen, wurden ja auch bis heute verehrt. Insofern war der Glaube der Kelten von dem der Römer vielleicht gar nicht so verschieden. Doch wie gütig der Geist des Kaisers auch sein mochte, es schien ein hartes Los, dass die Trinovanten, denen König und Königreich genommen waren, nun auch noch für die Vergötterung ihres Eroberers bezahlen sollten.
»Ich habe deinen Gemahl nicht getroffen, aber ich habe gehört, dass er dort ist. Er ist hochgeachtet. Man nennt ihn ›den glückreichen König Prasutagos‹. Wusstest du das?« Rianor hielt inne. Sie waren kurz vor dem Gehöft angekommen. Oberhalb der Hecken ragten die Dächer der Rundhäuser wie dunkle Spitzen in den abendlichen Himmel, aber aus den Eingängen strömte Licht, und der verlockende Duft von kochendem Rindfleisch zog durch die Luft.
»Bevor wir hineingehen, will ich dir noch etwas sagen. Als wir noch jünger waren«, sprach er mit einer plötzlichen Schüchternheit in der Stimme, »hoffte ich, dass du auf Mona bleiben und irgendwann mit mir am Feuer tanzen würdest.«
Und dann hast du dich Hals über Kopf in Lhiannon verliebt, dachte Boudicca.
»Aber als ich damals mit der Hohepriesterin und Coventa hier war, bemerkte ich die Liebe, mit der dich dein Gemahl ansieht. Er ist kein Heißsporn, doch er hat dir eindeutig gut getan. Manche Frauen werden einfach nur alt, aber du bist im Laufe der Jahre immer schöner geworden.«
War das eine Absichts- oder eine Verzichtserklärung? Boudicca unterdrückte ein Lachen. Nun, da ihre Töchter langsam dem heiratsfähigen Alter entgegengingen, war es tröstlich zu wissen, dass auch sie noch auf Männer wirkte. »Ja, wir sind sehr glücklich zusammen«, sagte sie schließlich. »Aber ich fühle mich trotzdem geehrt von deiner Schmeichelei.«
Kaum waren sie durch das Tor getreten, tollten die Hunde ins Haus hinein und wieder heraus, sprangen in wildem Durcheinander umher, ließen die Zunge heraushängen und wedelten mit dem Schwanz, und dahinter erschienen ihre Töchter.
»Wo warst du denn so lange, Mama? Wir sind längst wieder zurück, und das Abendessen ist schon
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