Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon
vergessen.
»Was ist los?«, rief sie, als der König seine Helfer abschüttelte. »Gab es einen Unfall?«
»Mir geht es gut! Zeternde alte Frauen …« Prasutagos schwankte, schien nicht zu bemerken, dass Bituitos ihm stützend die Hand unter den Ellbogen schob. Stirnrunzelnd reichte sie ihm den Becher. War diese verzerrte Grimasse ein dankendes Lächeln? Er setzte den Becher an, trank und bekam dann einen mächtigen Hustenanfall. Sie reichte den Becher an Crispus zurück und nahm den Kopf ihres Gemahls zwischen die Hände.
»Er glüht vor Fieber!« Vorwurfsvoll sah sie seine Begleiter an. »Wie konntet ihr ihn nur bei diesem Wetter reisen lassen. Er ist krank!«
»Ich weiß, meine Königin, aber er ließ sich nicht abhalten!«, sagte Eoc verzweifelt. »Und er ist der König!«
»Er meinte, dass er nur unter deiner Fürsorge wieder genesen würde«, fügte Bituitos hinzu.
»Dann lass ich meine Fürsorge gleich walten und stecke ihn ins Bett, wo er hingehört«, brummte sie und schlang einen Arm um ihren Mann. »Helft mir, ihn dorthin zu schaffen!«
Als sie Prasutagos die feuchten Kleider ausgezogen hatte, schien er sich besser zu fühlen. Sie setzte sich zu ihm ans Bett und flößte ihm löffelweise heiße Suppe ein, bis er nicht mehr konnte.
»Gut, wenn du nicht mehr essen willst, dann erzähl!«
»Jawohl, meine Liebe …«, sagte er mit seinem altvertrauten Lächeln, obwohl er immer noch vorsichtig atmete. »Nun … ich bin mit Morigenos übereingekommen, dass er Brocagnos Kornsaat leiht für die Frühjahrspflanzung … Arbeit und Ernte werden sie teilen.«
Boudicca nickte. So würde wenigstens eine weitere Sippe überleben. »Und gibt es auch Neuigkeiten aus Colonia?«
Er nickte. »Paulinus hat die Unterjochung der Deceangli beendet. Man munkelt, dass …« Er stockte, um Atem zu schöpfen. »… dass er vorhat, Marsch zu nehmen auf Mona, um der Einmischung der Druiden ein für alle Mal ein Ende zu setzen.«
»Da wird er wenig Glück haben«, erwiderte sie und hoffte, damit recht zu haben. »Die Hälfte der britannischen Druiden weilt dort, und die werden Mona mit mächtigen magischen Kräften verteidigen. Ich habe auch Neuigkeiten gehört …«, fuhr sie fort. »Cartimandua hat sich nicht nur von Venutios getrennt, sie hat auch noch seinen Waffenträger als ihren Geliebten genommen.«
Prasutagos hob eine Braue. »Ist das als Warnung gemeint? Dann werde ich künftig Bituitos im Auge behalten müssen.« Sein Lachen wandelte sich zu einem neuerlichen Hustenanfall, und diesmal spie er Blut dabei.
»Das wirst du dann wohl vom Bett aus tun müssen«, sagte sie gebieterisch. »Du hast deine Kehle schon wund gehustet.« Sie legte die Hand auf seine Stirn und fühlte, dass das Fieber ein wenig zurückgegangen war.
»Deine Finger sind kühl …«, murmelte er. »Ich will jetzt ausruhen. Ich schlafe nicht gut … wenn du nicht neben mir liegst.«
Ich auch nicht, mein Lieber, dachte sie, beugte sich hinunter und küsste ihn auf die Stirn. Es war seltsam ungewohnt, ihn mitten am helllichten Tag so ruhig daliegen zu sehen. Sie hatte ihre Töchter durch allerlei Kinderwehwehchen gepäppelt, während Prasutagos immer eine wahre Rossnatur gehabt hatte. Aber starke Männer waren die schwierigsten Patienten. Sie hoffte, dass die Krankheit bald vergehen würde.
Und sie wünschte sich, dass Lhiannon da wäre.
»Schlaf, mein Lieber … und werde gesund«, sagte sie. »Ich muss mich jetzt darum kümmern, dass deine Männer etwas zu essen bekommen.« Er würde schlafen, das Fieber würde vergehen, und bald würde er wieder gesund sein. Etwas anderes war gar nicht möglich.
»Warum geht es Vater denn immer noch nicht besser?« Rigana stieß ihrem Pony in die Seiten, um Schritt zu halten mit der grauen Stute, Boudiccas eigenem Reitpferd, das inzwischen Rouds Platz eingenommen hatte.
Die Stute hieß Branwen und hielt sich für die Königin der Pfade. Boudicca sah die weißen Ohren, die sich zurückdrehten, und gab ihr einen leichten Klaps auf den Hals, bevor sie Branwen zügeln konnte. Es war ein herrlicher Tag, kurz vor Frühjahrssonnwende, und beide Pferde waren munter und aufgekratzt. Der Mann, der sie auf Prasutagos’ Geheiß begleitete, trabte hinter ihnen her.
Wie aber sollten ihr beruhigende Worte auf die Frage ihrer Tochter einfallen, wenn sie sich darüber selbst den Kopf zermarterte? Seit über einem Mondumlauf hütete Prasutagos nun schon das Bett. Er hustete noch immer, und wenn er versuchte aufzustehen,
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